Newsletter VI/2016 (Stauden für den trockenen Schatten)

Liebe Pamina, hallo Papageno!

Es regnet und ich sitze wieder mal an meinem Schreibtisch. Und denke darüber nach, worüber ich dir wohl dieses Mal schreiben könnte. Denn das ist gar nicht so einfach, jeden Monat etwas Vernünftiges und Sinnerfüllendes zu Papier zu bringen. Man durchforstet seine Bilder und entdeckt dabei so vieles, was von Interesse sein könnte. Aber dem Anspruch gerecht zu werden, dass möglichst für niemand etwas Unfassbares, sondern für jedermann einiges Gebräuchliches dabei sein sollte, stellt mich immer wieder vor neue Herausforderungen.

Und dann fiel mir spontan ein, dass ich dir eigentlich noch nie über die Erfahrungen mit Stauden für trockene, schattige Stellen berichtet habe. Wahrscheinlich besitzt jeder Gartenliebhaber solche Ecken irgendwo in seinem Reich, welche bekanntlich dauerhaft nur schwer zu besiedeln sind. Trockener Schatten bedeutet kaum vorhandene Bodenfeuchtigkeit mit teils schlechten Böden. Trockener Schatten heißt leider auch, dass es an jenen Ecken nur selten hin regnet und wenn, dann rein zufällig aus einer „falschen“ Himmelsrichtung. Pflanzflächen am Rande deines Carports, unter Dachvorsprüngen, im Wurzelbereich dunkler Koniferen oder an ostseitigen Hauswänden können daher zu echten Problemstellen werden.

Wir kennen trotzdem eine ganze Reihe von Stauden, welche mit solchen Stressfaktoren spielend zurechtkommen, sich sogar damit wunderbar arrangieren. Sieht man sich in der Natur um, kann man an ostseitig gelegenen, schattigen Felspartien oder zwischen trockenem Gestrüpp oder unter hohen Bäumen im Wurzelbereich durchaus Stauden entdecken, die selbst widrigsten Verhältnissen trotzen. Im eigenen Garten sollte eine gute Bodenvorbereitung auch an diesen Stellen selbstverständlich sein, was den entsprechenden Stauden später hilft, sich gut zu etablieren.

Welche Pflanzen könntest du nun dort verwenden? Unter meinem Carport befindet sich eine Stelle, wo praktisch kein Regen hinkommt, es ist ein kleiner Bereich am Fuße eines Stehers des Carports. Dort wächst seit vielen Jahren Geranium x cantabrigiense ‘Biokovo‘. Dieser Hybride des Balkan-Storchschnabels mit dem Dalmatinischen Storchschnabel steckt problemlos alle Trockenheit weg und dankt uns jährlich mit seinen weißen Blüten. Er begeistert mich mit seiner Bescheidenheit immer wieder aufs Neue! Dies gilt sicher auch für alle Auslesen des normalen Balkanstorchschnabels (Geranium macrorrhizum), der durch seine oberirdischen Rhizome selbst auf trockensten Plätzen in durchwurzelten Bereichen von Birken wächst. Diese „Hungerkünstler“ unter den Storchschnäbeln versagen nämlich ausgerechnet dort, wo sie zu guten Boden vorfinden, bekommen Rhizomfäule und siechen dahin.

Geranium x cantabrigiense ‘Biokovo‘ wurde einst von Dr. Hans Simon als Naturhybride im Biokovo-Gebirge Süddalmatiens entdeckt. Hier siehst du ihn, unter unserem Carport:

Geranium x cantabrigiense ‘Biokovo‘

Geranium x cantabrigiense ‘Biokovo‘

Aber ich denke vor allem auch immer wieder an diese robuste Wolfsmilch:

Euphorbia robbiae

Euphorbia robbiae

Euphorbia robbiae als wintergrüne, flächendeckende Wolfsmilch mit ihren dunkelgrünen, ledrigen Blättern wurde noch zur Postkutschenzeit von einer englischen Lady um 1890 im Belgrader Wald vor den Toren Istanbuls durch Zufall entdeckt und von ihr in ihrer Hutschachtel nach England befördert. Ja, selbst damals gab es schon Pflanzenschmuggel!! In rauen Wintern frieren die ledrigen Blätter ab, der Teppich ist aber deswegen noch nicht hinüber, sondern treibt im Frühling wieder munter aus. Eine zugewachsene Fläche hat irgendwie etwas Beruhigendes und erfreut das Auge nachhaltig! Noch dazu blüht sie so herrlich hellgelb und besiedelt mit der Zeit ganze Flächen.

Oder natürlich auch Epimedium x perralchicum ‘Frohnleiten‘, jene Elfenblume mit dem derb-dekorativen, ebenfalls wintergrünen Blattwerk und den reizenden, goldgelben Blüten. Frau Helene von Stein-Zeppelin entdeckte sie in den 70er-Jahren im weitläufigen Areal des Alpengartens Frohnleiten in der Steiermark und schickte ein Rhizomteil zu Ernst Pagels nach Leer in Ostfriesland. Dieser beschäftigte sich schon damals intensiver mit Elfenblumen. Ihr Siegeszug war dann nicht mehr aufzuhalten, die Sorte ‘Frohnleiten‘ wurde als unverwüstlicher Bodendecker nicht nur für trockenen Halbschatten bekannt. Selbst Giersch kommt kaum gegen das aggressive Wuchsverhalten dieser Elfenblume an. Die Geschichte der Entdeckung hat mir übrigens Herr Pagels persönlich geschrieben, weil ich es aus erster Hand wissen wollte und es mir wichtig war, diese Geschichte irgendwann einmal auch dir zu erzählen!

Wenn du viel Platz hast, kannst du es auch mit dem Rauling (Trachystemon orientale) probieren. Dieses Boretschgewächs mit seinen derben Blättern wächst selbst an unwirtlichsten Stellen, im tiefen Schatten unter Bäumen oder an sonnenabgewandten Ecken, wo kaum Regen hinkommt. Ein Typ, den wir kultivieren, stammt aus Afghanistan, sie unterscheidet sich von den „Normalos“ durch ihre etwas längeren Blätter und ihre Blüten gehen mehr ins Hellblaue, die gewöhnliche Art ist violettblau. Mir gefällt der Rauling schon deswegen, weil seine blauen Blüten noch vor dem Blattaustrieb erscheinen. Ich kann dir diese robuste Staude nur wärmstens empfehlen, du hast mit ihr über viele Jahre keine Arbeit mehr! Auch als einzelne Füllstaude zwischen anderen stärker wachsenden Horsten kann ich ihr nur Positives abgewinnen!

Ich erinnere mich noch heute an eine Wanderung durch die Wutachschlucht am Rande des Schwarzwaldes, wo ich damals an trockenen, halbschattigen Stellen in felsigem Gelände blühende Exemplare des Steinsamens (Buglossoides purpureo-coeruleum) entdeckte. Dazwischen wuchsen vereinzelt Frühlingsplatterbsen (Lathyrus vernus). Der Steinsame kann durch sein aggressives Verhalten mit seinen oberirdischen Ausläufern andere Pflanzen verdrängen, darum sollte er wirklich nur dort zum Einsatz kommen, wo er keinen Schaden anrichtet. Aber am richtigen Ort möchte ich ihn nicht missen, allein schon deswegen, da seine blitzblauen Blüten im Mai schon von Weitem auffallen. Wenn es bei dir im Schatten nicht zu trocken ist, dann kannst du den Steinsamen auch mit Maiglöckchen (Convallaria majalis und Sorten) verquicken.

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Auch unter den Salomonssiegel finden wir einige Arten, die ganz schön Trockenheit wegstecken können, wenn sie sich einmal etabliert haben. Unser einheimischer Polygonatum odoratum wächst in der Wachau sogar auf Kalkfelsen, weiter östlich kommt dann P. hirtum vor und noch weiter östlich aus dem Iran und dem Kaukasus stammt Polygonatum orientale. Diese haben alles eines gemeinsam: sie bedecken mit der Zeit kleinere Flächen, werden dabei nicht sehr hoch und blühen im Frühling mit ihren maiglöckchenartigen Blüten.

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Die Helleborus-Wildformen, allen voran Helleborus foetidus eignen sich hervorragend für trockenen Schatten! Ebenfalls einige Schildfarne (Polystichum), wenn sie gut eingewachsen sind. Gute Erfahrungen habe ich vor allem mit Polystichum polyblepharum gemacht, aber auch der südeuropäische P. setiferum und einige seiner Auslesen lassen sich hierfür sehr gut verwenden.

Schildfarne (Polystichum) besitzen ledrige, glänzende Wedel, wie man hier schön sehen kann

Und die Nieswurz wachsen beinahe überall, auch in meinem trockenen Vorgarten! Dieser ist zwar nicht so trocken wie die Ostseite, aber ich kann dir aus Erfahrung berichten, dass Nieswurz auch dort gedeiht.

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Und du könntest es auch mal mit dem Persischen Gamander (Teucrium hyrcanicum) versuchen. Er wächst bei mir unter jener sagenhaft schönen Japanischen Kirsche (Prunus x yedoensis ‘Somei Yoshino‘), die ich dir in einem meiner letzten Rundbriefe zeigte. Seine kerzenartigen, weinroten Blüten gefallen dir sicher, nur solltest du dich vor seiner Selbstaussaat in Acht nehmen, daher wirklich nur dort pflanzen, wo er nicht zum Unkraut werden kann, also im unmittelbaren Wurzelbereich von Gehölzen.

Teucrium hyrcanicum, der Persische Gamander, hier an der „Leeseite“ einer unserer Ziegelmauern in der Gärtnerei.

Teucrium hyrcanicum, der Persische Gamander

Teucrium hyrcanicum, der Persische Gamander

Ceratostigma plumbaginoides

Ceratostigma plumbaginoides

Als Abschluss hier noch die Bleiwurz (Ceratostigma plumbaginoides), die wie kaum eine andere Staude geeignet ist, sonnige wie schattige, aber durchaus trockene Stellen zu besiedeln. Sie ist ständiger Begleiter meines bisherigen Staudengärtnerdaseins. Besonders in der Schweiz wurde sie bereits in den Achzigerjahren in riesigen Mengen verwendet und gerne gepflanzt.

Was geschieht eigentlich bei uns im kommenden Monat Juni? Vor allem zwei Gartentagtermine solltest du dir merken. In meinem Terminkalender stehen natürlich die Gartentage in Seitenstetten an, wo wir von Anbeginn dabei waren. Seitenstetten ist ein Muss für jeden Gartenfan, du triffst dort unter jeder Garantie viele deiner Bekannten. Die Umgebung, das Mostviertel – ein Traum, Rosenduft mit Staudenfülle, kulinarische Genüsse, Geistliches, gepaart mit Musikalischem – du darfst dich drei Tage hingeben, laben, gustieren und genießen… Und noch etwas: in Seitenstetten findet dieses Jahr am Eröffnungstag um 12 Uhr eine Versammlung zur Gründung einer Regionalgruppe der Gesellschaft der Staudenfreunde (GdS ev.) statt. Jeder Interessent ist hierzu herzlich eingeladen!

Und dann bekamen wir letzten Winter eine Einladung nach Kohfiddisch. Wo liegt denn dies, was für ein eigenartig klingender Name! Ich dachte sogleich an Schottland (Glenfiddich, Whisky im Burgenland ??? J), sehr naheliegend.  Schlussendlich lässt man sich irgendwie gerne auf alles Neue ein! Kohfiddisch liegt am äußersten Ende von Österreich, auf der Karte ganz unten rechts, nahe dem österreichisch-ungarisch-slowenischen Grenzdreieck. Unzugänglichkeitspol? Nein, die Veranstalter haben sich erheblich Mühe gegeben und diese Gartentage sinnvoll und richtig aufgezogen. Ich erwarte mir vielleicht doch auch einige Kunden aus unseren südlichen und östlichen Nachbarstaaten, damit der internationale Spagat in der Gartenkultur auch weiterhin gelingt!

Ein Tipp noch zu allerletzt: Wenn du gerne Gärten besichtigen möchtest, dann informiere dich unter  www.garten-der-leidenschaften.com

So bleibt mir nur zu wünschen, dass auch du mit deinem trockenen Schatten zurechtkommst und dass dein diesjähriger Sommer nicht zu trocken ausfällt. Im kommenden Rundbrief werde ich dir weiterhin über meine Erfahrungen mit einigen unbekannten Schönheiten berichten.

Hier als Abschlussbild siehst du unsere schlagkräftige Truppe, aufgenommen vergangene Woche, bevor der große Regen kam. Von links nach rechts: Andy, Gerlinde, Andrea, Gabi, Margit, Geli und ich. Wünsche dir weiterhin eine schöne Zeit!

Dein Staudengärtner Sarastro

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Christian H. Kreß und Mitarbeiter

Viele Grüße/ Best regards/ С уважением

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