Newsletter VIII/2014 (Sichtung, historische Stauden, Inselbeete)

Liebe Pamina, hallo Papageno!

Gleich zu Beginn möchte ich dir zwei ältere Staudensorten vorstellen, die gerade voll erblühten. Es liegt uns sehr am Herzen, sie der Nachwelt zu erhalten. Beide entstanden in den Dreißigerjahren im Osten Deutschlands und waren später im Westen nahezu unbekannt oder zumindest verschollen. Sonnenaugen (Heliopsis scabra) kannst du ja derzeit überall bewundern, sei es als großblütige Schnittblume oder als horstbildende, langlebige Bauerngartenstaude. Von ihr wurde vor langer Zeit eine sehr niedere Sorte mit dem Namen ‘Sommerzwerg‘ ausgelesen. Wir hatten das Glück, diese begehrenswerte Sorte vor einigen Jahren von Siegmar und Michael Poltermann aus Erfurt zu bekommen! Sie wird hier nie höher als 60 cm und blüht mit mittelgroßen, sattgelben Blüten, die einen doppelten Blütenkranz aufweisen. Du kannst daher ‘Sommerzwerg’auch an Beeträndern pflanzen. Und sie verträgt schweren Lehmboden ebenso gut wie puren Sand. Leider sät sie sich gelegentlich aus. Die Nachkommen unterscheiden sich zwar nur geringfügig von der echten Sorte, aber ich rate dir trotzdem, die abgeblühten Stängel wegen einer unerwünschten Selbstaussaat rechtzeitig abzuschneiden! Dies gilt übrigens auch für alle anderen Sonnenaugen!

Bei einer weiteren, ebenfalls sehr kulturwürdigen Staude mit Geschichte handelt es sich um einen niederen Phlox, der den ungewöhnlichen Sortennamen ‘Wennschondennschon‘ trägt. Wenn du seine Blüten betrachtest, denkst du vielleicht an einige ähnliche Sorten, wie ‘Kesselring‘, ‘Uspech‘ oder ‘Laura‘. Stimmt, sie unterscheiden sich auf den ersten Blick alle geringfügig, doch ‘Wennschondennschon‘ hat mit einigen Besonderheiten aufzuwarten. Dies war nämlich Karl Foersters erste Phloxzüchtung aus dem Jahre 1932 und damit eine bereits historische Sorte! Der Altmeister hat sich ja erst relativ spät mit Phloxen auseinandergesetzt. Und bei ‘Wennschondennschon‘ denkt man gleich an einen sehr hohen Phlox, aber er hebt sich von den ähnlichen Sorten durch seine geringe Höhe von nur 60-70 cm ab.

Vor kurzem erfuhr ich auch die Geschichte dieses Phloxes. Karl Foerster ging eines schönen Sommertages durch die Beete, wo seine Phlox-Selektionen standen. Ein leitender Angestellter, sowie seine Frau Eva waren mit von der Partie. Karl Foerster war an diesem Tage sehr unschlüssig und lief hin und her, keine der blühenden Phloxen befriedigte ihn so richtig. Nach einiger Zeit rief er „Na wenn schon, dann schon den da!“ und zeigte auf die uns heute bekannte Sorte. Daraufhin rief seine Frau in die Runde „Wennschondennschon“ und bestand später darauf, diese unverkennbare Sorte auch so zu benennen! ‘Wennschondennschon‘ ist gesund und sehr wüchsig. Allerdings hatte ich letzten Sommer einige Mühe, meinen russischen Phloxfreunden diesen unverwechselbaren und originellen Namen einigermaßen verständlich auszudeutschen!

Reizvoll sind Inselbeete, egal wie groß sie auch immer sein mögen. Sie sind in ihrer Gestaltung sehr leicht zu verwirklichen, auch die Pflege erweist sich als relativ unproblematisch. Ein echter Staudeninselgärtner war Alan Bloom in Bressingham/GB, der in seiner weitläufigen Schauanlage äußerst großzügige und dekorative Kompositionen verwirklichte. Links unten im Bild siehst du, wie eine unserer Staudeninseln innerhalb nur weniger Monate Gestalt angenommen hat. Hier stehen einige namenlose Tagliliensorten unseres hochbetagten Franz Erbler aus Bad Hall, die er mir vor einiger Zeit schenkte. Die rote Indianernessel ist spektakulär, wenn man bei ihr gleichwohl mit Mehltau leben muss. ‘Ruby Glow‘ bildet sehr dichte Quirle aus, wie keine zweite Sorte und ihr Rubinrot ist unvergleichlich!

In letzter Zeit konnte ich mir selbst endlich einige Gartenbesuche vergönnen. Denn auch in Österreich hat sich inzwischen eine große „Gartenschau“-Gemeinschaft entwickelt, gegenseitige Besuche und pflanzlicher wie geistiger Austausch sind an der Tagesordnung. Der Garten wird bei uns nicht mehr verschlossen oder dient lediglich repräsentativen Zwecken nach außen, sondern hat sich auch vielfac nach innen zur „offenen Gartentür“ entwickelt. Inzwischen ist bei uns die Szene schon so weit gediehen, dass du einige Wochen benötigen würdest, um alle Gärten zu bestaunen. Besonders sehenswerte Privatgärten befinden sich in unserer östlichen Landeshälfte. Bei Bella Bayer in Hartberg/Steiermark wirst du diese Raseninsel aus Schwertlilien entdecken, die von den unterschiedlichsten Funkien umrandet wird. Schnecken? Ja, natürlich…, aber auch dagegen kannst du rechtzeitig was tun. Übrigens ein traumhafter Schaugarten, den ich sehr genoss und wo mich wieder einmal der Neid fraß!

Auch in Oberösterreich kannst du dir unter Voranmeldung einige private Gartenjuwele ansehen. Manche davon betten sich noch dazu in eine traumhafte Kulisse, perfekter geht es ja schon gar nicht mehr! Spannend für mich sind die immer wieder neuen und so unterschiedlichen Staudenkombinationen, wo man auch als fortgeschrittener Staudenfuchs viel lernen kann. Von den Besuchern wie von den Gartenbesitzern schlug mir allenorts Begeisterung und ausschließlich Wohlwollendes zu Ohren, kein Ausspruch von wegen „Na, die Oabat! Die muast a megn!“, die man früher immer wieder hören konnte. In den kommenden Rundbriefen möchte ich dir in lockerer Folge immer wieder mal Bilder von Privatgärten zum Besten geben, um dir meine Begeisterung zum Ausdruck zu bringen.

Ein für Außenstehende sehr interessantes, aber leider auch vollkommen unbekanntes Thema ist die offizielle Beurteilung von Staudenneuheiten durch den Fachkreises Staudensichtung. Hierbei finden sich versierte Fachleute und Staudenkenner an verschiedenen Sichtungsorten im deutschsprachigen Raum zusammen, um über Resultate und Bewertungen verschiedener Sortimente der unterschiedlichsten Staudengattungen zu urteilen. Dieses Jahr trafen wir uns im einzigen Staudensichtungsgarten Österreichs in Wilfleinsdorf/Burgenland, um über die Bonitierungsergebnisse neuer und alter Sorten des Roten Sonnenhuts ( Echinacea) zu diskutieren. Federführend war Prof. Dr. Bernd Hertle aus Freising, der Leiter des Sichtungsgartens, Dipl.-Ing. Jürgen Knickmann als Leiter des Sichtungsgartens hatte uns dazu eingeladen.

Es ist mir heute ein großes Anliegen, dir einmal vor Augen zu führen, wie niederschmetternd manches Mal so ein Sichtungsergebnis sein kann. Vor drei Jahren wurden 63 Sorten von Sonnenhut-Neuzüchtungen (Echinacea-Hybriden) an 6 unterschiedlichen Standorten in Deutschland, der Schweiz und Österreich aufgepflanzt, um ihre Dauerhaftigkeit und ihren Gartenwert zu testen. Jämmerliche drei Sorten bekamen 3 Sterne als „Vorzügliche Sorte“, also die höchste Bewertung, 10 Sorten bekamen 2 Sterne, einen Stern bekamen 9 Sorten. 5 Sorten wurden aufgrund ihrer ungewöhnlichen Blüten als Liebhabersorte eingestuft. Der große Rest aber fiel durch den Rost und wurde daher als „Entbehrlich“ eingestuft, das sind verbliebene 36 Sorten! Schlechtes Wachstum und Ausfälle schon im zweiten Standjahr führten zu solchen Ergebnissen!

Dabei war ersichtlich, dass in Wilfleinsdorf die Ergebnisse der Echinacea noch am besten abschnitten, da hier im pannonischen Osten Österreichs der Boden und das Klima für den Roten Sonnenhut wie geschaffen ist. Obgleich auch hier bei manchen Sorten große Ausfälle sichtbar waren, versagten sie an anderen Sichtungsorten dagegen völlig. Für mich eine gewisse Genugtuung, da ich dieser kritiklosen Sonnenhut-Sortenflut schon immer sehr skeptisch gegenüber stand und sie eher als „Blumenstrauß mit Wurzeln“ betrachtete. Ist ja auch okay, aber leider wurden sie jahrelang unter dem Vorzeichen „Spektakuläre, neue Gartenstaude – Dauerhaft und winterhart“ zu Unmengen verkauft. Dass dies nur für einige ältere Sorten zutrifft, erstaunte die Teilnehmer der Sichtungstagung nur wenig und der Kunde weiß am allerwenigsten darüber bescheid! Manche der gefüllten Sorten erinnerten mich immer schon an flatterige Schießbudenblumen, aber Degustibus…Und jedes Jahr kommt ein Schwung neuer Echinacea-Sorten dazu. Man fragt sich schlussendlich, welche Sorte wird wohl über Jahre Bestand haben? Züchtung und Sichtung im Sinne von einer wertvollen Gartenstaude oder nur einer schnelllebigen Gartencenterstaude, dass ist hier die Frage!

Eklatant war nämlich auch ein anderes Sichtungsergebnis, was dich vielleicht im Nachhinein ebenfalls interessieren wird. Dies fand bereits vor über 25 Jahren statt, als wir unser erstes Ergebnis aus Österreich der Öffentlichkeit vorführten. Damals war ich noch Sichtungsdelegierter Österreichs für die I.S.U. (Internationale Staudenunion). Seitens vieler österreichischen Gärtner wurde damals der Wunsch geäußert, im pannonischen Raum einmal das gängige Phlox- und Ritterspornsortiment zu testen. Die aufgepflanzten Sorten von Phlox paniculata standen schon nach wenigen Jahren mickrig und krank da, sie verabschiedeten sich in kürzester Zeit vollkommen. Wir wurden damals aufgrund des niederschmetternden Sichtungsergebnisses von vielen Seiten bombardiert, weil andernorts altbewährte Sorten enorm schlecht abschnitten. Ich bekam einen geharnischten Brief von einem bekannten süddeutschen Kollegen und damaligen größten Phlox-Sammler, der mir schrieb, man solle eben den Phlox auch dort pflanzen, wo er wächst und auch hingehört, also ins kühle Voralpenland oder Norddeutschland und nicht ausgerechnet ins pannonische Klima. Aber verkauft wurden im Wiener Raum Tausende dieser norddeutschen und holländischen Sorten, also hatte eine sortenspezifische Phloxsichtung durchaus ihre Berechtigung, wie ich meine! Und dies sollte ein Ansporn sein, es zukünftig auch einmal mit lokalen Auslesen oder attraktiven Sorten aus kontinentalem Klima zu versuchen.

Links siehst du den noch eindrucksvollen Echinacea-Bestand, wie er sich noch vor 3 Jahren präsentierte. Und rechts das ernüchternde Bild der letzten Woche!

Wo befinden wir uns auf Gartentagen im August? Die einzige Veranstaltung, der wir beiwohnen, ist Maikammer. Diese Ortschaft befindet sich am Rande des Pfälzer Waldes, mitten in Weinbergen, in einer traumhaften Umgebung gelegen. Mein Mitarbeiter Sebastian Ehrl wird dich dort begrüßen. Wir stehen wie gewohnt im Zentrum von Maikammer mittem im Schulhof, in guter Gesellschaft meiner Freunde Georg Mayer von der Gärtnerei am Nassachtal, sowie Clematis Herian. Falls die russischen Phloxsorten noch nicht gänzlich verblüht sind, wollen wir zumindest einen Teil mitbringen.

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Apropos Phlox, er blüht momentan in unserer Gärtnerei so traumhaft schön und in einer solch übergroßen Fülle, die ganze Umgebung ist in den typischen Pfefferduft gehüllt, niemals zuvor hatten wir so tollen Phlox. Das Bild habe ich gestern abend extra für dich aufgenommen. Und wo bleibt denn nun das vielzitierte Sommerloch? Keine Angst, der Phlox blüht auch noch, wenn du kommst!

image035Alles Gute und viel sommerliches Gartenglück wünscht dir dein

Staudengärtner Sarastro

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