Gab es einen Garten?

Chelsea Grand Prix 2015 – Laurent-Perrier-Garten von Dan Pearson

“Sergey Kalyakin ist ein Journalist und Fotografer, der in Deutschland lebt und über Gärten und Pflanzen schreibt.
Email: sergeykalyakin@web.de“.

Gab es einen Garten?
Diese Frage wurde von vielen Fans der traditionellen englischen Gärten gestellt, als sie den Garten von Dan Pearson auf der Chelsea Flower Show 2015 diskutierten.

Die neuen Eckpunkte der künstlichen Natürlichkeit waren das Hauptthema der Diskussionen. Die glühendsten Anhänger der Mixed Border wiesen darauf hin, dass man keinen Garten als Garten bezeichnen darf, der aus dem alten Chatsworth-Anwesen entnommen und in die Ausstellung als ein Stück Natur gebracht wurde. Diese Schlauheit wurde wahrscheinlich durch den Ärger verursacht, dass ihr geliebter Cottage Garden unerbittlich der Vergangenheit angehört. Und es wird immer deutlicher, dass die Zukunft hinter den Naturgärten liegt. Dan Pearsons Design war entmutigend originell und beeindruckend: Alles ist einfach, alles liegt auf der Oberfläche, aber außer ihm konnte niemand in eine solche Tiefe tauchen. Im Gegensatz zu vielen anderen Ausstellungsarbeiten wird dieser Garten auch weiterhin leben, denn nach der Show wurde er dorthin verlegt, wo sein Bild geboren wurde – nach Chatsworth.

Nach dem triumphalen Sieg des Laurent-Perrier-Gartens bei der Chelsea Flower Show im Jahr 2014 stand der Geschäftsführer des berühmten französischen Champagnerhauses in Großbritannien David Hesketh vor einer schwierigen Aufgabe. Es war notwendig, ein interessantes Thema für den Garten 2015 zu wählen und einen Designer, der es genauso gut wie der Sieger-2014 Luciano Giubbilei verkörpern würde. Aber wie kommt man noch höher, wenn jemand schon oben ist?

Neben der Chelsea-Ausstellung selbst ist Laurent-Perrier der offizielle Champagner-Lieferant für das Chatsworth House, die Derbyshire-Residenz des Herzogs und der Herzogin von Devonshire. Ein altes Haus, ein schöner formaler Garten (das Anwesen umfasst mehr als vierzig Hektar) lassen Sie über Familientraditionen und einen feinen Geschmack nachdenken – alles, was der Marke Laurent-Perrier innewohnt. Die Aufgabe ist also klar: Ein Miniaturbild von Chatsworth auf Chelsea zu schaffen, indem der Ausstellungsgarten leicht, frisch und raffiniert wird – wie Champagner selbst. Hesketh erkannte, dass man dafür “Berge versetzen” musste, und tat alles, um Dan Pearson, der seit 11 Jahren nicht mehr an der Ausstellung teilgenommen hat, nach Chelsea zurückzuholen.

Osmunda Regalis

Abgesehen von der hohen Beschäftigung des Designers war der Grund für eine so lange Pause die Widerwilligkeit, Tagesgärten zu machen. Schließlich dauert die Show weniger als eine Woche, und dann werden die meisten Gärten, von denen jeder eine halbe Million Pfund kostet, entsorgt… Das war der Grund, warum Dan Pearson eine so lange Abwesenheit begründet hatte. Und er gab seine Zustimmung, als der Herzog und die Herzogin von Devonshire bestätigten, dass sie sich freuen würden, dem Ausstellungsgarten einen festen Platz zu geben – in Chatsworth. Übrigens leisteten sie bei der Vorbereitung der Ausstellung alle nötigen Hilfen und arbeiteten sogar einen Tag als freiwillige, die Flyer über den Garten bei der Blumenshow verteilten.

Viele waren überrascht, wie man in den wenigen Tagen, die in der Ausstellung für die Montagearbeiten vorgesehen waren, einen Garten mit einem so hohen Detailgrad schaffen und so geschickt eine Ecke simulieren konnte, welche die Hand eines Menschen lange nicht berührt hatte? Tatsächlich war die Vorbereitung sehr lang und mühsam. Die „Gartenrahmen“ aus Steinen wurden drei Monate vor der Show in einer Baumschule, die eigens für die Pflanzen des Gartens verantwortlich war, gebaut.

Der Rasen mit Wiesenblüten wurde speziell für diesen Garten angebaut, in große Stücke geschnitten und in dieser Form zur Ausstellung transportiert. Im Gegensatz zu allen anderen Showgärten wurden übrigens alle Pflanzen nicht in Töpfen getarnt, sondern wirklich in den Boden gepflanzt.

Silene Fimbrata

Es gab auch eine Überraschung: Die Pflanzstelle einer der fünf Tonnen schweren Weide musste im letzten Moment geändert werden. Das Team, das die Pflanzstelle vorbereitete, hat einen funktionierenden Abfluss aus viktorianischer Zeit ausgegraben, der solche Belastung kaum standhalten würde. Das Alter einiger Bäume, die im Garten gepflanzt wurden, betrug übrigens mehr als 40 Jahre. Im Vereinigten Königreich beschäftigen sich Baumschulen nicht mit großen Bäumen, daher mussten Weiden in Holland gekauft werden, und der Rest der Bäume kam aus Deutschland und Frankreich. Rhododendron, Bodendeckerpflanzen sowie eine Tonne Blatthumus und dreihundert Tonnen Steine wurden aus Chatsworth gebracht.

Dan Pearson war sich zunächst nicht sicher, ob er dieses Projekt übernehmen würde. Nachdem er sich die Fotos von Chatsworth angesehen hatte, erkannte er, dass er sich nicht vorstellen konnte, wie man bei einer Blumenshow in Chelsea ein Bild von diesem riesigen, formalen Garten erschaffen sollte. Als er das Anwesen besuchte, fand er jedoch eine Quelle der Inspiration – im wahrsten Sinne des Wortes. In einer der abgelegenen Ecken fließt ein Forellenbach – ein schmaler Strom, der sich von der Spitze des Gartens nach unten schlängelt.

Dieser wilde Ort war nicht weniger perfekt als die strengen Pflanzlinien und die langen Wege des formalen Gartens. Dort entschied sich Dan Pearson, den “vergessenen”, “verlassenen” Teil von Chatsworth als Grundlage für sein Bild in der Blumenshow zu nehmen.

Der gewundene Bach, der von Wiesenblumen umrahmt wurde, konnte jedoch die Größe des Gartens nicht vermitteln. Der Designer entschied sich dafür, “Skulpturen” aus riesigen Felsbrocken zu verwenden – eine Anspielung auf den berühmten Chatsworth-Steingarten, der von Joseph Paxton, einem Ingenieur und Landschaftsarchitekten aus der viktorianischen Zeit, hergestellt wurde.

Bäume und Sträucher dienen demselben Zweck – bewerten Sie ihre Größe und ihr Alter. Englische Zeitschriften haben auch auf die eloquente Auswahl einiger altmodischer Arten aufmerksam gemacht. Zum Beispiel ist die Gelbe Azalee (Rhododendron luteum) in Großbritannien seit langem wegen ihrer Invasivität tabu, und der Gemeine Goldregen (Laburnum anagyroides) ist vor einem halben Jahrhundert aus der Mode gekommen. Eine seiner besonders üppig blühenden Sorten wurde buchstäblich in jedem Garten gepflanzt, und er schaffte es, alle zu langweilen. Hier wachsen sie auf und dienen gleichzeitig als Rückkehr zum Natürlichen und als Erinnerung an die Vergangenheit.

Dan Pearsons Fähigkeit, die Vergangenheit mit der Zukunft zu verbinden, habe ich auch an einem kunstvoll unter anderen Sträuchern ausgewählten Ort für Mahonia ‘Soft Caress‘ gesehen. Diese Sorte, mit ungewöhnlich schmalen Blättern, war der Gewinner unter den Neuheiten der Ausstellung in 2014. Die Verbindung der Zeit wird auch durch junge Eichen Sämlinge am Fuß eines bereits verstorbenen Baumes symbolisiert…

Neben all diesen Details geben die getrockneten Reste der Blumen des letzten Jahres, dass uns allen bekannte Unkraut – Wilde Karde (Dipsacus fullonum), dem Garten eine absolute Authentizität, ein Gefühl dafür, dass “es hier immer gewuchert hat”. Ich kann mich irren zu behaupten, dass niemand zuvor diese Technik vor Dan Pearson auf Chelsea benutzt hat. Aber ich erinnere mich nicht daran, dass einer der Designer diese Idee hatte, im Mai Blumen zu pflanzen, die im vergangenen Oktober getrocknet waren. Eine einfache und sehr spektakuläre Idee, die so offensichtlich ist, dass niemand darauf aufmerksam wurde.

Der Garten befand sich auf Chelsea’s schwierigsten Platz. Erstens ist dieser von einer dreieckigen Form (der Rest ist rechteckig). Zweitens ist dieser der einzige Abschnitt, der von allen Seiten von Straßen umgeben ist, mit einer kreisförmigen Ansicht (der Rest erlaubt eine Übersicht von zwei von vier Seiten). Normalerweise fanden die Designer, die diesen Bereich erhielten, einen Weg, eine der Seiten zu schließen (mit einer Wand, hohen Pflanzungen usw.). Die Schöpfung von Dan Pearson ist von allen Seiten durch und durch zu sehen.

Eine Reihe von Facetten öffnete sich für den Betrachter, der um den Garten spazierte, und als Eingang dienten Wege aus natürlichen Materialien, sei es Eichenbretter, Steine oder einfach Gras. Die Bänke waren übrigens auch aus Eiche.

Gab es einen Garten? Es gab ihn und darüber hinaus lag die Zukunft bereits hinter ihm.

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