Newsletter VII/2012 (Vermehrung von Stauden, einige neue Geranium, einige Stachys)
Liebe Papagena, hallo Papageno!
Bei uns herrscht momentan ein regelrechtes Wachswetter. Es hat endlich genug geregnet, zumindest bei uns, und ich denke auch bei dir. Wir beginnen bereits, unsere ersten Stecklingssätze zu topfen. Im Gegensatz zu anderen Gärtnereien sind wir ja fast das ganze Jahr mit der Vermehrung und der Aufzucht unserer Stauden beschäftigt. Und dieses Wetter begünstigt geradezu ein flottes Wachstum bei vielen Stauden!
Wenn du gerade diesen Rundbrief liest, dann fingen bereits die ganz frühen Phloxe zu blühen. Und auch eine meine Lieblingsgattungen, die Wiesenknöpfe (Sanguisorba) sorgen für immer neue Überraschungen, in dem sie sich mit anderen Stauden verbrüdern. Clematis recta ‘Purpurea‘ und Veronicastrum virginicum ‘Lavendelturm‘ sind hierzu ebenbürtige Partner, welche mit ihrem Charme wetteifern.
Ich hatte dir das letzte Mal versprochen, ein wenig aus der Schule der Staudenvermehrung zu plaudern. Gleich vorneweg, es sind dies keine Geheimnisse, es wird nur gelegentlich Geheimniskrämerei darum gemacht! Vielmehr erfordert die Vermehrung der Stauden langjährige Erfahrung und Fingerspitzengefühl.
Ganz nebenbei und gleich zu Beginn darf ich dir mitteilen, dass gut und gern 85- 90 % unseres Staudensortimentes vegetativ vermehrt werden. Dies ist sehr wichtig zu wissen, denn viele unserer Gärtnerkollegen, besonders diejenigen aus anderen Sparten, denken nämlich, dass die Staudengärtnerzunft alle ihre Schätze nur durch billige Aussaat vermehrt. Die vegetative Vermehrung ist tatsächlich wesentlich aufwändiger als man glaubt! Diese Vermehrungsmethode wird trotzdem bei den meisten Staudensorten angewandt, denn diese würden ihre typischen Eigenschaften verlieren, würde sie der Gärtner aussäen. Dies geschah in der Vergangenheit oft gedankenlos und so sind etliche Sorten leider nicht mehr echt im Handel. Was der Staudengärtner unter vegetativer Vermehrung versteht, möchte ich dir kurz an einem Beispiel erläutern.
Dir ist sicher Salvia nemorosa ‘Ostfriesland‘ ein langjähriger Begriff. Würdest du diese weltweit bekannte Sorte über Samen vermehren, so bekämest du lilablassblaue, gakelig gewachsene, inklusiv einiger kompakter Individuen, aber niemals die echte, von Ernst Pagels selektierte, einheitlich dunkelviolettblaue Sorte, welche mehrmals blüht. Also muss diese über Stecklinge im Frühjahr vermehrt werden, damit hoffentlich auch in ferner Zukunft noch die echte ‘Ostfriesland‘ zu haben ist. So manche Staude lässt sich außerdem wesentlich besser vegetativ vermehren, sprich Stockteilung, Risslinge, Wurzelschnittlinge, Rhizomschnittlinge oder Stecklinge.
Die andere Vermehrungsmethode ist eben die Aussaat, auch generative Vermehrung genannt. Dies trifft in erster Linie für botanische Wildarten zu. Hier ist ein klassisches Beispiel unsere allseits beliebte Knautia macedonica, von der wir gar nicht genug „fabrizieren“ können, weil sie dir so sehr gefällt. Würde man diese durch Teilung vermehren, so müsstest du jahrelang darauf warten, endlich dieses unvergleichlich leuchtende Rot in deinen Garten zu bringen! Oder eine seltene Trollblume aus den Hochlagen des Altais wurde ebenfalls zunächst über die Aussaat vermehrt. Später kann sie geteilt werden, denn nicht alle botanischen Wildarten produzieren in unseren Breiten genügend Samen und daher ist Teilung auf Dauer doch ergiebiger.
Und deswegen ist die gängigste Methode der vegetativen Vermehrung die Teilung der Stauden, die du in deinem Garten sicherlich schon oft praktizieren konntest. Deine blühfaulen und vielleicht überalterten Irishorste solltest du im August mit der Grabegabel oder dem Spaten aufnehmen und grob auseinandernehmen. Der August ist der beste Monat, da im Hochsommer die Irisrhizome gut ausgereift sind. Bei deinen Taglilien kannst du im September die dicksten Horste zerpflücken, für Pfingstrosen ist der ideale Zeitpunkt bekanntermaßen der Herbst, frühestens ab Mitte September, aber dafür bis in den November hinein. Andere Beetstauden wie Phlox, Helenium oder Astern teilt man im zeitigen Frühjahr oder im Herbst nach der Blüte.
Eine Vermehrungsmethode, welche viel Erfahrung, sowie äußerste Aufmerksamkeit erfordert, ist die Stecklingsvermehrung. Hier zeigt sich, welcher Gärtner das beste Händchen besitzt und wessen Stecklingsauge am wachsamsten ist. Wer mit Wetter und Natur im Einklang lebt und in der richtigen Zeit das Richtige macht, hat den besten Erfolg, moderne Technik hin oder her. Schon in meiner Lehrzeit war es usus, ratzfatz die Stecklinge mit einer Haushaltsschere von der Mutterpflanze zu schneiden und sofort in sandiges Substrat zu stecken, ohne langes Aufbereiten. Und sie wuchsen tadellos! Diese Methode wurde damals von allen Gärtnern mit Erfolg praktiziert! Ganz zum Entsetzen meiner Prüfer während der Abschlussprüfung, denn diese Herren versuchten vehement, ihren zukünftigen Gärtnern noch die alte Schulmethode plausibel zu machen. Hier hatte ein Stecklingsschnitt nur mit dem desinfizierten Messer zu erfolgen, der Steckling sollte nur unter dem Blattknoten geschnitten werden, die Blätter mussten eingekürzt werden, und nur so wüchse ein Steckling auch wirklich an. Diese Idealversion sollte man zwar kennen, ob sie allerdings in der Praxis ökonomisch sinnvoll ist, bleibt dahingestellt.
Heinrich Hagemann, ein Staudengärtner der alten Garde, in den 30er-Jahren Obergärtner bei Karl Foerster in Bornim, erklärte mir die Stecklingsvermehrung ganz anders. Heinz Hagemann hatte nach dem Krieg bei Hannover eine der größten Staudengärtnereien Deutschlands gegründet. Er vertrat die Ansicht, dass jeder Steckling problemlos anwächst, ganz gleich ob dieser abgeschnitten oder abgerissen wird, sofern dies exakt zum richtigen Zeitpunkt erfolgt und das Umfeld wie Licht, Luft, Stecklingssubstrat und Wasser exakt passen. Und hier kann ich dir ein „Geheimnis“ ausplaudern, nur als Beispiel: schneide deine Chrysanthemen von April bis Mai, deine Fuchsien im Juni und deine Daphne im Juli. So, und nun mach dies einfach mal so, und du wirst bald sehen, dass es noch auf eine Menge anderer Faktoren wie den richtigen Zeitpunkt ankommt. Viele Stecklinge wachsen nämlich nur unter gespannter Luft hundertprozentig an, so zum Beispiel deine Allerheiligenchrysanthemen. Würdest du sie nämlich nicht im April schneiden, sondern im Hochsommer, hättest du ein wesentlich schlechteres Ergebnis, da später sehr viele Triebe schon Knospen ansetzen und so die Anwachsquote miserabel ausfällt. Viele empfindliche, hochalpine Pflanzen werden ebenfalls mittels grundständiger Stecklinge vermehrt. Diese werden oft erst im Spätherbst gesteckt, da sie im Frühling unter einem Folienzelt schnell dahin faulen würden, aber im ungeheizten Gewächshaus oder Frühbeetkasten sind sie bis zum Frühjahr bewurzelt.
Edeldisteln (Eryngium), Ochsenaugen (Anchusa) und Herbstanemonen können hingegen ausschließlich durch sogenannte Wurzelschnittlinge vermehrt werden. Auch diese Technik erfordert viel Gefühl und den richtigen Zeitpunkt. Ist man im Frühjahr zu spät dran und wird das Wetter recht heiß, dann treiben nur die Hälfte der eingelegten Wurzeln aus.
Gesundes Vermehrungsmaterial bekommt der Staudengärtner übrigens nur, wenn er auch auf gesunde Mutterpflanzen zurückgreifen kann. Ob er diese selbst besitzt oder als Freilandware zukauft, ist zweitrangig. Wir vermehren ungefähr 90 % unseres gesamten Sortimentes noch selbst, weil vieles davon gar nicht im Handel erhältlich ist. Aber wir lassen einiges von unseren Mutterpflanzen inzwischen von einem Betrieb produzieren, weil bei uns der Platz zu gering geworden ist. Bei unseren Vermehrungsarbeiten kannst du uns bei deinem Besuch Tag für Tag hier in der Gärtnerei über die Schulter schauen!
In meinen Vorträgen im Winterhalbjahr spreche ich gelegentlich die Vermehrungsmethoden an, damit möglichst viele Zuhörer erkennen und verstehen lernen, wie komplex und unterschiedlich die Vermehrung der Stauden ist. Und ich ermutige alle Hobbygärtner, ihre Stauden auch einmal selbst im eigenen Garten zu teilen oder auszusäen. Dies sind Aktivitäten, die Laune machen und anspornen, die Erfolgserlebnisse mehren sich, du wirst es bald selbst erkennen! Deswegen bekommen wir Gärtner noch lange keine Konkurrenz, sondern angespornte und glückliche Kunden, die nachfolgend gerne wieder etwas Neues ausprobieren möchten. Denn nichts ist fataler wie die heutige Tendenz, gleich alles fix und fertig haben zu wollen. Den fertigen Garten gibt es bekanntlich nicht und „Gärtner und Geduld fangen beide mit G an“, wahrlich ein schon etwas abgedroschener Spruch.
Vergiss jetzt nicht, deine kahlen Zwischenflächen in den Staudenbeeten nachzupflanzen, entweder mit Einjährigen oder mit ergänzenden Stauden. Wenn du das Gefühl hast, das Beet sei ohnehin schon zu voll, dann mulche die kahlen Stellen mit gut verrottetem Rindendekor. Jede geschlossene Bodenoberfläche verhindert Unkrautbesatz, jeder offene Boden wird erobert, dies ist ein Naturgesetz! Karl Foersters „Garten des intelligenten Faulen“ existiert tatsächlich, jedoch bleibt dagegen ein Garten gänzlich ohne Arbeit eine pure Illusion. Wer das Gegenteil behauptet, der ist entweder ein Schöngeist oder ein Scharlatan.
Ein Geranium ist mir unter den vielen Sorten dieses Jahr sehr positiv aufgefallen. Geranium ibericum ‘Ushguli Grey‘ hat mein holländischer Kollege Hans Kramer im Kaukasus gesammelt und dann durch Teilung weitervermehrt. Die silbrig graublauen, geaderten Blüten sind sehr groß und von einer ausgesprochenen Eleganz und Schönheit. Du kannst diesen Storchschnabel besonders im Gehölzrandbereich verwenden, aber auch im Staudenbeet, wo es trockener ist. Auch eine andere Sorte sorgte schnell für Furore, nämlich Geranium himalayense ‘Derrick Cook‘. Die fast weißen Blüten sind geadert und nahezu riesig. Einziger Nachteil ist ein etwas unordentlicher Wuchscharakter. Die Schere hilft dir nach der Blüte, dieses kleine Problem aus der Welt zu schaffen. Schneide diesen Storchschnabel bodeneben ab und er dankt es dir durch ein ordentliches Wachstum. Jedenfalls ist diese Sorte ein wunderbarer Ersatz für Geranium clarkei ‘Kashmir White‘, das in der Vergangenheit immer wieder durch Auswintern enttäuschte.
Der Kaukasus offenbarte uns schon manche traumhaft schöne Staude! Aber auch die Gefilde im südlich gelegenen Pontischen Gebirge beherbergen Pflanzenschätze, die mittlerweile zu unserem fixen Repertoire gehören. So bekommst du bei uns Stachys discolor, der früher als Stachys nivea bekannt war. Ein trockener, voll sonniger Platz neben Geranium renardii und Scutellaria orientalis verschafft dir ein kleines Fleckchen Bergstimmung aus dem Orient. Der großblütige Ziest (Stachys macrantha) ist ein willkommener Partner zu Rosen und Phlox, aber auch als flächig gepflanzte Wildstaude. Ihn gibt es in farblich unterschiedlichen Formen, du kannst zwischen fast weiß bis zu violett auswählen. Wichtig ist nur, dass er in gutem, nicht zu trockenem Boden stehen will.
Sicherlich interessiert es dich, welche Stauden zwischen März und Juni bei uns zu den Top Ten gehörten und am meisten verkauft wurden! Dank des Webshops besitzen wir hier die Möglichkeit, dies zu verfolgen, dazu kommt, was du in der Gärtnerei ausgewählt hast.
An der Spitze der Top Ten steht natürlich unser Flaggschiff, Campanula ‘Sarastro‘, wie könnte es auch anders sein! Sie wird inzwischen selbst in Baumärkten und Gartencentern angeboten, leider oftmals als blühender Wegwerfartikel! Sie ist weltweit in den Staudensortimenten vertreten. Die Geschichte, wie sie entstand, erzähle ich dir ein andermal.
Auf dem zweiten Platz liegt Agastache ‘Blue Fortune‘, sicherlich sehr berechtigt, wundert mich dank ihrer reichen Blüte überhaupt nicht!
Ebenfalls der dritte Platz: Geranium ‘Rozanne‘, welches ja schon jahrelang in aller Munde ist.
Für eine große Überraschung sorgte der vierte Platz, denn für Oxalis acetosella ‘Rubra‘ spricht offenbar das schöne Bild in unserem Webshop!
An fünfter Stelle liegt Knautia macedonica, diese so unvergleichlich schöne Farbe!
An sechster Stelle das tintenblaue Geranium ‘Nimbus‘, welches sich schon durch sein dekoratives Blatt als sehr gartenwürdig erweist.
Dass Sanguisorba zunehmend an filigraner Bedeutung für den Staudengarten gewinnen, zeigt Sanguisorba officinalis ‘Arnhem‘ von Coen Jansen, an siebenter Stelle.
Die Buschwindröschen sorgten insgesamt für unser größtes Plus, davon zeugen der achte und neunte Platz, nämlich Anemone nemorosa ‘Pink Delight‘ und Anemone nemorosa ‘Green Dream‘, beides gefüllt blühende Sorten.
An zehnter Stelle findest du in der Verkaufsstatistik schlussendlich Delosperma ‘Kelaidis‘, die eine unvergleichliche Fleischfarbe aufweist. Gerade die vollendete und strahlende Brillianz vieler der Mittagsblumenfarben bewirkt, dass diese beim Besucherpublikum so beliebt sind.
Mit dem Versand der Stauden machen wir nun Pause, von 15. Juni bis 15. September, danach wieder in gewohnter Weise. Es verlangt unseren Stauden zu viel Stress ab, würden diese jetzt im Hochsommer verschickt. Dafür kannst du uns aber jederzeit in der Gärtnerei besuchen, vielleicht führt dein Weg in den Süden hier vorbei? Unsere Phloxe lassen dich grüßen, sie präsentieren sich bestens! Ach ja, und beinahe hätte ich es vergessen: unsere 150 Sorten Taglilien blühen zur Zeit um die Wette und buhlen um ihre Gunst, die Schönste im Lande zu sein.
Am 6. und 7. Juli wirst du uns im Botanischen Garten Linz vorfinden. Dort findet nämlich zum ersten Mal ein „Sommerblumenrausch“ mit bekannten oberösterreichischen Gärtnereien statt. Es ist dies der erste Raritätenmarkt in unserem „Linzer Botanischen“, in würdiger Umgebung des wohl artenreichsten Botanischen Gartens in Österreich.
Weiterhin viel Gärtnerglück und einen schönen Sommer wünscht dir dein Sarastro!