Newsletter I/2024
Liebe Pamina, hallo Papageno!
Ein neues Jahr hat begonnen. Was wird es uns bringen? Endlich Frieden und ein Einsehen, dass es mit dem Ausstoß an CO-2-Immissionen so nicht mehr weitergehen kann? Wir wissen ganz pragmatisch, haarscharf und stets analytisch, wie alles funktioniert, allein der Wille hierzu fehlt. Leider repariert der Mensch gerne seine Fehler, anstatt unbequem vorzubauen oder einmal Verzicht zu üben.
Es wird dieses Jahr für uns ein entscheidendes Jahr werden, denn meine Tochter Katharina wird demnächst aus den USA zurück in ihre alte Heimat Oberösterreich kommen, zusammen mit Mike, ihrem Mann und Hundedame Nikki. Man sagt immer so salopp, dass neue Besen gut kehren. Deshalb freue ich mich sehr auf ihre Ideen und ihren Enthusiasmus, denn sie hat in all den Jahren nicht unwesentlich Erfahrungen sammeln können, sei es in der Staudenproduktion, im Vertrieb und Versand gleichermaßen. Und ich bin unseren Kollegen und Mitarbeitern in der Schweiz, in Deutschland und in den USA zutiefst dankbar, dass sie Katharina neben ihrer Arbeit so freimütig Einblick in innerbetriebliche Abläufe gewährten.
Hier ein Bild, aufgenommen vor einem Jahr, in einem großen Vermehrungsbetrieb in Michigan, mit einem Tray von Sedum rupestre ‘Angelina‘, das ich vor rund 25 Jahren einführte. In den USA ist sie über die Jahre zur Massenstaude mutiert.
Kata (so wird meine Tochter allgemein genannt) wird also irgendwann meine Nachfolge antreten, wenn alles so verläuft, wie wir uns dies vorstellen und wünschen. Darum haben wir uns im Vorhinein sehr bemüht, die nötige Basis hierfür zu schaffen. Zunächst möchten wir zumindest eine Saison miteinander absolvieren, denn jede Staudengärtnerei „tickt“ anders, arbeitet anders, besitzt unterschiedliche Sortimente und vermehrt auf die verschiedenste Art und Weise. Was hier unrentabel erscheint, kann sich anderswo durchaus als Segen erweisen oder umgekehrt. Und Kata wird dabei ihren eigenen Weg gehen und das ist gut so!
Das heißt jetzt nicht, dass ich mich schon jetzt auf das Altenteil zurückziehe, ganz und gar nicht, ich würde total unglücklich werden! Du weißt ja, dass ich mein Gärtnerdasein nicht nur als Broterwerb ansehe, sondern vor allem auch als Hobby und Erfüllung betrachte. Und außerdem fühle ich mich noch voller Tatendrang. Aber das kann sich schnell ändern, aus den verschiedensten Gründen, und dann ist es wichtig, dass alles auf gesunden, wohl vorbereiteten Füßen steht. Damit du Kata auch einmal kennenlernst, wird sie in der nächsten Zeit verstärkt im Versand und im Verkauf tätig sein, auch an einigen Gartentagen und Pflanzenbörsen wird sie dich begrüßen, sei es in Berlin, Wien oder auf einigen anderen Märkten. Ich bin ja in den letzten 25 Jahren oft und weit genug herumgetingelt, darum soll man gerne der jüngeren Generation den Vortritt lassen. Und es muss ja schließlich auch wer die Stellung in der Gärtnerei halten.
Meine Zukunft liegt im Gestalten und Pflegen des Schaugartens, worauf ich mich ganz besonders freue! Daneben widme ich mich auch weiterhin der Einführung von Staudenneuheiten und natürlich auch weiterhin der Selektion eigener Sorten. Einige Spezialsortimente wie Anemonen, Alpine, Farne und andere Schattenraritäten, sowie deren Vermehrung möchte ich mir selbst vorbehalten. Und natürlich werde ich dir und allen anderen Staudenfans auch in Zukunft Vorträge halten, sowie auch weiterhin diesen monatlichen Brief an dich schreiben. Aber noch ist es ja längst nicht so weit!
Wir vermehren rund 85 % unseres riesigen Sortimentes selber und gehören somit zu den ganz wenigen Gärtnereien, die sich das noch antun. In manchen Augen fallen wir deshalb auch unter „Exoten“ oder werden sogar belustigend als „Dinosaurier“ tituliert. Oder gehören wir etwa zur „stockkonservativen“ Garde, bei denen die Zeit stehenblieb? Aber sieh dich mal in deinem Umkreis um, wo existieren denn noch Endverkaufsgärtnereien, die wenigstens einen Teil ihrer angebotenen Pflanzen tatsächlich eigenhändig großziehen? Lauter Handelsware, nahezu deckungsgleich in ihrer Sortierung, zugeliefert von einigen Großproduzenten!
Tatsache ist allerdings auch, dass es in unserem Staudensektor einiges an Pflanzen gibt, die man gar nicht mehr selber zu produzieren braucht, weil sie günstiger zugekauft werden können und so durch einen schnellen Umschlag eine viel größere Rentabilität erreicht wird. Wir nennen sie „Nullachtfuffzehn“-Kulturen, die man braucht, die aber nicht unser Leben ausmachen.
Ich behaupte nach wie vor, wir tun hier tagtäglich das, was wir gelernt haben, nämlich leidenschaftlich Staudengärtner sein, nicht in erster Linie Handelsgärtner und schon gar kein Händler, sondern wir agieren immer noch ein Stück weit als „Kunstgärtner“, wie es ganz früher so treffend hieß. Dieser verblichene Begriff ist inzwischen vollkommen verschwunden, da er noch aus den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts und der Zeit davor stammt. Kunstgärtner deswegen, da es dazumal um die Anzucht und Veredelung des Produktes Pflanze ging, sei es in der Floristik oder in der Verwendung im Garten. Oder schlicht und einfach in der Vielfalt, in der Liebhaberei.
Wo ist man denn heutzutage wirklich noch Gärtner? Im Baumarkt, im Gartencenter? Du kannst dort als Verkaufsgärtner dein Fachwissen in der Beratung unter Beweis stellen, ansonsten ist Gießen und Pflanzen am Leben erhalten angesagt. Oder willst du dich Gärtner nennen, wenn du überwiegend an der Topfmaschine stehst und Tausende Stauden von ein und derselben Sorte herausboxt? Ich stehe wirklich nicht für falsche Romantik, jedoch für grenzenlose Individualität und breite Sortimente, noch gibt es dies und hoffentlich auch in Zukunft, doch hat das alles auch seinen Preis. Nicht nur, weil ein großes Sortiment aufwändig gepflegt und erhalten werden möchte, sondern weil sich in aller Konsequenz auch einige andere Kosten auf den monetären Preis unserer Endprodukte schlägt. Die Zeiten haben sich gravierend geändert, die Energie ist wesentlich teurer geworden, die Löhne sind gestiegen, Transportkosten zogen ziemlich an, Materialien wie Erden und Substrate ebenfalls. Schon deswegen war eine Preiserhöhung unserer Stauden unausweichlich, die wir jedoch etappenweise und moderat vornahmen. Ich bin mir aber sicher, dass du in dieser Sache Verständnis aufbringen wirst und den Stellenwert einer Sortimentsgärtnerei anerkennst.
Nebenbei ganz was anderes. Ich bin ernstlich am Überlegen, ob ich nicht in naher Zukunft ein Buch über Staudenvermehrung in Angriff nehmen soll! Eine Mega-Aufgabe, aber ob solcherlei Werk überhaupt gefragt ist? Reizen würde mich so ein Projekt natürlich außerordentlich, denn wenn ich meine umfangreiche Fachbibliothek inspiziere, so finde ich maximal vier Bücher über Staudenvermehrung, auch sonst sind mir sehr wenig ausführlichere Literaturquellen über dieses so spannende Thema bekannt. Mit Müh und Not sind ganze zwei Bücher antiquarisch zu bekommen, das dritte ist zwar neueren Datums, aber taugt in meinen Augen nicht allzu viel, das vierte ist in Englisch, und in wenigen anderen Werken wird die Vermehrung eher hemdsärmelig und viel zu oberflächlich gestreift. „Vermehrung durch Stecklinge“ steht da, aber wann und wie, welche Stecklinge in welchem Umfeld am besten gedeihen, das alles darfst du dir aus den Fingern saugen! Es gibt so viele detaillierte Tricks und Kniffe, die nur noch von wenigen Tüftlern und Könnern beherrscht werden, es wäre jammerschade, wenn dies verloren ginge. Außerdem ist es stets sehr interessant zu wissen, wie sich die Basisfaktoren Licht, Luft, Wasser, Erde, sowie der richtige Zeitpunkt auf die Staudenvermehrung auswirkt.
Im Laufe der letzten Jahre und Jahrzehnte habe ich etliche Vorgehensweisen und Möglichkeiten der Staudenvermehrung fotografisch festgehalten. Den Vorteil eines Buches über die Staudenvermehrung sähe ich für Lehrlinge (im alemannischen übrigens „Stift“, oder in Abkürzungsdeutsch „Azubi“ genannt), für Staudengärtner, die in der Vermehrung tätig sind und manche Kulturen vielleicht wieder selbst vermehren möchten, aber auch für Laien und Spezialisten, die sich mit nur wenigen Pflanzengattungen auseinandersetzen möchten. Denn bei aller Euphorie ist eines sicher, über speziellere Staudenvermehrung gibt auch das Internet nicht allzu viel preis! Und Geheimnisse haben wir keine, denn erst wenn einige professionelle Kniffe mit ins Grab wandern, dann können wir von Geheimnistuerei sprechen. Und es steckt hinter einem Erfolg oder Misserfolg immer noch der Mensch, trotz aller Regeln und Maßnahmen.
Unser Webshop ist von mir in den letzten Wochen wieder zu rund 99 % aktualisiert worden. Zu 100 % schafft man niemals, denn es gibt immer irgendetwas zum Texten und Abändern. Zumindest aber ist die Verfügbarkeit nun auf dem neuesten Stand. Und ich habe mich sehr bemüht, jede Menge neuer Bilder hochzuladen und einzustellen, eine Megaarbeit! „Everything needs a picture!“ ist das oberste Gebot bei Online-Shops. Und der Shop wurde wiederum mit einigen Neuheiten aufgewertet, die du schon jetzt im Winter jederzeit vorbestellen kannst.
In dieser tristen Winterszeit zur Abwechslung ein paar bunte Bildchen aus unserem Schaugarten.
So wünsche ich dir einen ruhigen Winter, hoffentlich mit etwas schützender Schneeschicht, denn Regen hatten wir nun schon mehr als genug!
Herzlichst, dein Staudengärtner Sarastro