Newsletter I/11 (Trockene Hauswände, ein paar Frühlingsblüher)
Liebe Gartenfee, lieber Staudengnom!
Hoffentlich hast du die ersten Tage des Neuen Jahres in Muße verbracht. Auch wir konnten ein wenig ausspannen und es uns gut gehen lassen. Die Zeitschrift „Gartenschönheit“ von Karl Foerster nahm ich mir endlich einmal zu lesen vor, jene erste deutschsprachige Gartenzeitschrift aus den ersten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts. Wenn ich diese heute durchblättere und mir überlege, was die Gärtner von anno dazumal vollbrachten, kann man vor dieser Leistung nur den Hut ziehen. Kunst- und Lustgärtner sind wohl die richtigen Begriffe, die dem nahekommen.
Heute möchte ich dir ein wenig über Problemstellen im Garten berichten. Du kennst sie sicher, es sind Sorgenkinder eines jeden Gartenbesitzers. Was pflanzt man unter einen hohen Nadelbaum, wo scheinbar nichts wächst? Wie gestalte ich eine Fläche unter einem Dachvorsprung, womöglich ostseitig? Oder wie kann man die Mauerfront des Hauses abwechslungsreich gestalten? Diese oder auch andere Fragen stellen sich zwangsläufig irgendwann einmal, spätestens dann, wenn du davor stehst und dich über die langweilige Hauswand ärgerst, die noch dazu durch blank polierte Kieselsteine, Sockel und Waschbetonplatten fantasielos und geradlinig unterstrichen wird, von einer kreativen Gestaltung weit und breit nichts zu sehen! Rittersport-Gartenarchitektur nennen wir das ganz salopp. Quadratisch, praktisch, fürchterlich langweilig!
Einige Kalksintersteine oder Granitwacken, dazwischen ein paar trockenheitsliebende Polsterstauden, und schon wirkt diese Situation wesentlich gefälliger. Besonders gut wachsen allerlei Thymian, Zwergschafgarben, Sempervivum und Sedum an diesen exponierten Stellen. Du kannst das Ganze aber auch wie einen Steingarten gestalten. Oder mediterran mit Zwergiris, Affodil und Wolfsmilch. Einige frühblühende Tulpen fühlen sich in diesem Metier besonders wohl. Und ein altes Wagenrad oder ein Sandsteintrog lockert die geraden Linien zusätzlich auf. An dieser sonnendurchfluteten Wand kannst du sogar mit halbwinterharten Gewächsen herumexperimentieren. Früher, als ich noch keinen eigenen Garten hatte, musste der Garten meiner Eltern für solche Versuche herhalten. Aus Holland brachte ich damals die prächtige Clematis armandii aus China mit. Im milden Südbaden nahm sie bald mehrere Meter der Hauswand ein, blühte jedes Jahr zuverlässig und üppig, bis ein strengerer Winter ihr den Garaus machte. Auch Rosa banksiae erlitt das gleiche Schicksal.
Aber du musst ja nicht gleich mit solchen Grenzfällen auffahren. Probier es einmal mit den fantastischen Iris der Regeliocyclus-Gruppe. Du wirst begeistert sein! Umgeben von winterharten Kakteen und Mittagsblumen fühlst du dich bald in ferne Länder versetzt. Vergiss die Kakteen aber nicht zu düngen, nur dann wachsen sie zu großen Teppichen heran. Und deine Kräuter und Gewürze sind hier viel besser aufgehoben als in den viel zu kleinen Löchern der Keramiken! Besonders reizvoll sind viele graublättrigen Eberrauten, die hier in dieser Trockenzone wesentlich üppiger und schöner gedeihen.
Zuhause haben wir ein Carport, an dessen Ostseite in ein schmales Beet kaum ein Tropfen Regen hingelangt. Eine typisch schwierige Situation, wie wir sie in vielen Gärten vorfinden. Doch auch hierfür gibt es Lösungen. Zum einen lassen sich diese Flächen abwechslungsreich mit Kies und Steinen gestalten. Und es ist nicht zwingend notwendig, hier alles zuzupflanzen. Einige Gräserakzente werten diese Stellen ungemein auf. Atlasschwingel (Festuca mairei), einige trockenheitsresistente Seggen (Carex humilis, Carex muskingumensis) und Strandhafer (Helictotrichion sempervirens) bilden einen Blickfang und sollte es sehr schattig sein, finden sogar Farne und Funkien das Auslangen, wenn sie eingewachsen sind. Besonders robust hierfür sind viele Arten des Schildfarnes (Polystichum), die im Sommer wochenlange Trockenheit aushalten, ohne Schaden zu nehmen.
Vielleicht bist du stolzer Besitzer einer hohen Fichte oder einer ausladenden Schwarzkiefer. Unter diesen wachsen aber leider die allerwenigsten Pflanzen. Probier es einmal mit dem flach wachsendem, gelb blühenden Beinwell (Symphytum grandiflorum) oder mit dem altbekannten Balkan-Storchschnabel (Geranium macrorrhizum). Diese flach wachsenden Stauden nehmen es mit der Trockenheit und dem Nadelstreu locker auf. Auch kleinere Flächen des Immergrüns (Vinca minor), die braune Dickanthere (Pachysandra procumbens) oder das im letzten Rundbrief vorgestellte Katzenpfötchen (Antennaria plantaginifolia) sind auf diesen schwierigen Flächen durchaus erfolgreich.
Jetzt, zu Beginn des neuen Jahres, möchte ich dir einige liebenswerte Stauden vorstellen, so dass du dich neben dem Schnee und deinen Büchern wenigstens an den Bildern erfreuen kannst. Seit langen Jahren ein treuer Begleiter unseres Sortimentes ist die Schaftdolde (Hacquetia epipactis). Sie stammt aus den Bergwäldern Kärntens und Sloweniens und entwickelt sich erst nach einigen Jahren zu ihrer vollen Schönheit. Man glaubt kaum, dass sie zu den Doldenblütlern gehört! Die Schaftdolde schätzt einen schattigen, humosen Standort und ergänzt die Vorfrühlingsbilder mit Cyclamen und Schneeglöckchen vortrefflich.
Eine weitere Unbekannte ist Hydrophyllum canadense. Leider fiel mir immer noch kein passender Name für diese nordamerikanische Blattschmuckstaude ein, die mit der Zeit dichte Teppiche bildet. Besonders hübsch ist ihr gefleckter Blattaustrieb im April. Wenn meine Kunden mich fragen, wohin man diese oder jene Schattenstauden pflanzen soll, so sage ich meist postwendend: zu Funkien. Dann kommt der Aha-Effekt und jeder weiß, wohin mit Hydrophyllum.
Der Nesselkönig und das Immenblatt haben mir es ebenfalls sehr angetan. Im Gegensatz zu den Taubnesseln wuchern diese beiden nicht, ganz im Gegenteil! Sie wachsen brav horstig und gehören mittlererweile zu den dauerhaften „Langspielplatten“, um Karl Foerster zu zitieren.
Vom Immenblatt (Melittis melissophyllum) besitze ich mehrere Farbauslesen, welche durch Stecklinge vermehrt werden, damit sie farblich treu bleiben. Es macht Spass, jetzt im Winter seine Bilder durchzusehen und Revue passieren zu lassen. Dabei erinnert man sich, wann der große Horst des Nesselkönigs (Lamium orvala) gepflanzt wurde. Er hat bereits einen Durchmesser von 80 cm und steht seit über zehn Jahren am gleichen Ort. Übrigens kannst du beide Lippenblütler auch ruhig unter trockene Hainbuchen pflanzen, aber auch in den tiefen Schatten, beispielsweise in Innenhöfen.
Ich freue mich schon so sehr auf den kommenden Frühling, wenn wieder das Blauglöckchen erblüht, inmitten unter den fast schon unwirklich orangen Lerchenspornen. Hier bekommst du eine Farbenvielfalt in deinen Garten, die dir den Atem raubt, so überwältigend!
Aber bis es noch soweit ist, wünsche ich dir noch einen geruhsamen Winter, in Vorfreude auf das kommende Frühjahr. Momentan arbeiten wir mit Hochdruck an unserer neuen Website mit einem übersichtlichen und vor allem bedienerfreundlichem Onlineshop. Ich habe es mir lange und gut überlegt, wer A sagt, muss auch B sagen! Mein Ziel ist es, einmal alle Pflanzen mit entsprechenden Bildern zu versehen. Aber da wir nicht ausschließlich zum Internetgärtner verkommen wollen, freuen wir uns nach wie vor über deinen Besuch in meinem Reich, wo das Sortiment sich ständig ändert und die Schaugärten zu einem Erlebnis werden.
Alles Gute, bis zum Rundbrief im Februar!
Dein Sarastro