Newsletter III/2023 (Winterlinge)
Liebe Pamina, hallo Papageno!
Keine zwei Tage befand ich mich von Südafrika zuhause, da hat mich zu allem Überfluss Covid eingeholt und noch dazu ziemlich heftig. Ich hatte das Gefühl, als schnürte mir irgendwer mit einem Gürtel die Kehle zu, Dauerschmerz im Rachen und Fieber inbegriffen. Hatte ich womöglich eine neue Variante eingeschleppt? Nun, es ging vorüber, wenngleich langsam und zäh. Ich habe mir selbst Zwangsruhe verordnet, was mir manches Mal nicht leichtfiel. Das Wetter konnte man ohnehin nicht mehr Winter nennen, nasskalt und noch keinesfalls auf Vorfrühling gestimmt. Auch jetzt noch nicht, wo ich gerade den monatlichen Rundbrief an dich schreibe.
Den diesjährigen Saisonauftakt brachten wir vorigen Samstag mit viel Erfolg hinter uns. Zu unserer Schneeglöckchenwoche kamen trotz Schneefall und Kälteeinbruch eine Menge Liebhaber, deretwegen wir schon am Samstag starteten. Und wie immer, die teuren Raritäten waren zuerst weg! Aber keine Angst, es ist immer noch genug da und wir sorgen bei manchen Galanthus-Sorten noch für Nachschub. Ich finde es immer wieder erstaunlich, dass Gartenfreunde teilweise eine ziemlich weite Strecke auf sich nehmen, um sich an den entzückenden Vorfrühlingsblühern zu ergötzen. Da kann man nur herzlich Danke sagen! Im Übrigen verkaufen wir die Schneeglöckchen nach dem Motto „So lange der Vorrat reicht“. Dieses Jahr habe ich 60 Sorten im Angebot, welches jedes Jahr etwas schwankt.
Diese Schneeglöckchenwoche führen wir nun schon seit über 10 Jahren durch. Zu Beginn im Freien, aber dann machten wir die Erfahrung, dass man witterungsunabhängiger unterwegs ist, wenn dies im Gewächshaus stattfindet.
Unser Schaugarten wird immer beeindruckender, da die Schneeglöckchen teilweise zu dicken Horsten herangewachsen sind. Derzeit stehen bei uns etwa 300 Sorten und Herkünfte, manches Mal nur Einzelstücke oder kleinere Gruppen, von anderen Sorten einige hundert Exemplare. Zum Thema Schneeglöckchenvermehrung wollte ich noch am Rande bemerken, dass wir kein Twin-Scaling als Vermehrungsmethode betreiben. Das ist diese Feinchirurgie, wo mit einem Skalpell die Zwiebeln der Länge nach kleingeschnitten werden. Bis man Verkaufspflanzen bekommt, dauert es ein paar Jahre. Du kannst theoretisch aus einer Zwiebel zwischen 20 und 30 Nachkommen produzieren. Es dauert dann 3-4 Jahre, bis die Zwiebelchen blühfähig sind, wenn sie dir nicht vorher eingehen, denn dies ist etwas für Spezialisten! Bei uns dürfen sich die Schneeglöckchen noch auf ganz natürliche Weise vermehren, indem sie entsprechenden Zuwachs verzeichnen, der je nach Sorte sehr unterschiedlich ausfällt. Wenn die Horste eine gewisse Größe erreicht haben, teilen wir ganz normal „In The Green“. Bei dieser konventionellen Methode dauert der Zuwachs länger, aber er ist sicherer.
In unserem Privatgarten blühen momentan Cyclamen und Winterlinge um die Wette. Unsere Gärtnerei befindet sich im offenen Gelände und so findet die Hauptblüte immer ca. 10 Tage später statt als in unserem Privatgarten, der im klimatisch geschützteren Dorfzentrum liegt. Hier jedoch konnten sich die Vorfrühlings-Alpenveilchen (Cyclamen coum) in den letzten 10 Jahren enorm vermehren und erreichen schön langsam das Bild, wie ich es noch von meinen früheren Englandfahrten her kannte. Man benötigt dazu ungefähr 10 Initialpflanzen (oder auch mehr), die man idealerweise unter einen Haselstrauch verteilt, da unter diesen die Durchwurzelung nicht so stark ist und die Blätter der Haseln relativ schnell zu wertvollem Humus verrotten. Schon nach ihrer ersten Blüte bilden die Alpenveilchen Samenkapseln, welche im Laufe vom Juni und Juli aufplatzen. Für die Verteilung der Samen sorgen Ameisen, die Keimung erfolgt dann meist im Herbst. Wundere dich also nicht, wenn manche deiner Alpenveilchensämlinge sogar zwischen Plattenfugen, in einer weiter entfernten Hecke oder in deinem Steingarten aufgehen und dich dort später mit ihren Blüten beglücken. Den Boden solltest du in diesen Bereichen durch Hacken oder Umgraben niemals stören, auf diese Weise werden es stetig mehr!
Bis zur massenhaften Vermehrung in Form eines regelrechten Alpenveilchenteppiches dauert es jedoch sehr lange. Du kannst auch insofern nachhelfen, indem du die runden Samenkapseln rechtzeitig aufsammelst, bevor diese aufplatzen. Nach einer kurzen Reifezeit von wenigen Wochen sähst du die Samen breitwürfig an jenen Stellen aus, wo du sie gerne haben möchtest und „harkst“ sie mit deinen Händen in die oberste, lockere Bodenschicht ein. Auf jeden Fall sind zwei Dinge von großer Wichtigkeit. Du solltest deinen Alpenveilchen ab und zu eine dünne Schicht aus gut ausgereiftem Kompost vergönnen, ebenfalls ein wenig Düngekalk, wie ihn die Bauern für die Felder benutzen. Die beste Zeit, um diese beiden Komponenten auszubringen, ist im Hochsommer kurz vor einem Landregen. Die Cyclamenknollen befinden sich zu jener Zeit ohne Blätter in der Sommerruhe. Die Vorfrühlingsalpenveilchen (Cyclamen coum) treiben schon bald im Herbst erneut aus und da würden Kompostgaben sie nur stören. Und noch eine Kleinigkeit zum Schluss: es wird immer gesagt, man solle das Laub der Gehölze im Herbst liegenlassen, dies ergibt den wichtigen Humus. Ja und nein. Manche Gehölze werfen Unmengen an Laub ab. Wenn die Schicht 20 cm übersteigt, würde ich entweder einen Teil davon entfernen und separat kompostieren oder mit dem Rasenmäher kleinhäckseln und in einer dünneren Schicht wieder ausbringen. So entsteht mit der Zeit eine sanfte Humusschicht, unter der Alpenveilchen und Schneeglöckchen nicht ersticken. Eine dicke Laubschicht kann auch zu vermehrtem Auftreten des Grauschimmels bei Schneeglöckchen führen, durch den man wertvolle Sorten über Nacht verliert!
Auch Winterlinge kannst du über Samen kinderleicht in deinen Garten holen. Falls du Gartenfreunde hast, die schon größere Bestände von Eranthis hyemalis besitzen, so bitte sie um Samen, den du im Laufe des Mais oder Juni breitwürfig ausstreust. In zwei, drei Jahren erfreuen dich jede Menge blühende Winterlinge. Übrigens bin ich dabei, mir etliche Sorten des Winterlings zuzulegen und zu vermehren. Auch die Winterlinge haben inzwischen das Potential, sich ähnlich der Schneeglöckchen zu einem Hype hochzuschrauben, allein es gibt kaum Anbieter, zumindest was die noch seltenen Sorten anbelangt!
Dieser Winterling mit dem Namen ‘Schwefelglanz‘ ist eigentlich ein Samenstrain und keine reine Sorte, auch wenn sie etwa zu 90 % echt aus Samen fällt. Sie wurde von Ruth Treff aus Darmstadt in ihrem Garten entdeckt und beeindruckt durch ihre aparte Blütenfarbe. Von Frau Treff stammt übrigens auch ‘Grünling‘ mit grüngelblichen Blüten.
Gefüllte und halbgefüllt blühende Winterlinge sind nicht nur beeindruckend, sondern manche davon immer noch relativ selten, da hier nur durch mühevolle Teilung vermehrt werden kann. Es existieren eine Reihe von Sorten, die man an den Blüten schwer unterscheiden kann, von denen manche jedoch wüchsiger als andere sind.
Und hier zeige ich dir eines der momentanen Sternchen am Winterlinghimmel! Die Blüten von Eranthis hyemalis ‘Andenken an Johannes Raschke‘ sind dicht gefüllt. Dies ist eine kostbare Sorte, die noch kaum angeboten wird und wenn, dann exorbitant teuer!
Was verbindest du eigentlich mit Jugendstil und Garten? Verspielte Ungezwungenheit, ein wenig Romantik, heute Blau und morgen Rot, kaum gerade Linien und vor allem keinerlei aufgesetzte Normen. Schlug sich Jugendstil auch auf die Pflanzenverwendung nieder oder kann dies auch auf unsere Gärten übertragen werden? Ich finde schon, trotzdem geht uns in der Gartenkultur die Jugendstilepoche irgendwie ab, mir kommen zwar Max Liebermann und wenige andere in den Sinn, das war es dann aber schon. Einen Hauch Jugendstil kann man zumindest in Ansätzen bei Karl Foerster ausmachen, sei es an seinem Wohnhaus, dem berühmten Senkgarten oder in seiner damaligen Art, Stauden verwenden zu wollen, um Verspieltheit und Natürlichkeit einen gewissen Raum zu geben, weg vom Zwang der formalen Gärten. Auch die in meinen Augen hervorragende Zeitschrift „Gartenschönheit“ aus den 20er-Jahren zeigt in ihrer Aufmachung verspäteten „Art Nouveau“ auf, wie der Jugendstil auch genannt wird.
Ich verbinde ganz besonders die Akelei mit Romantik und Verspieltheit, mit Naturbewusstsein und Überschwänglichkeit in der Anzahl ihrer Nachkommen, besonders aber auch mit dem, was wir heute unter „Blackbox-Gardening“ verstehen. Wenn du Akeleien als Akzentpflanzen in deine Staudenbeete setzt, dann kannst du dir sicher sein, dass du die nächsten zehn Jahre die unterschiedlichsten Gartenbilder vor dir siehst. Ist dies nicht schön? Und damit ich den richtigen Ton erwische: man nennt dies „dynamisches Einnischen“, denn sonst kann man heutzutage ja nicht mehr mitreden, auch beim üppigsten Staudenbeet nicht!
Zum Glück wurden diese altmodisch wirkenden Akeleien durch strenge Selektion erhalten, ob sie nun ‘Grandmother’s Garden‘ oder ‘Norah Barlow‘ heißen. Auch gesprenkelte oder gelbblättrige Sorten sind zu haben. Du kannst dir mit der Zeit deinen eigenen Strain im Garten erziehen, indem du den Insekten freien Lauf lässt, irgendetwas überlebt immer. Es kommt nur auf deinen Gestaltungswillen an, wem du im Beet den Vortritt lässt. Verspieltheit fängt also schon vor der Akeleienblüte an und setzt sich bis in den Spätherbst fort.
Es kann aber auch ein Beet mit ausschließlich ‘Norah Barlow‘ wunderbar aussehen, jahrelang bei uns im Schaugarten!
Aquilegia vulgaris ‘Woodside White‘ stammt ebenfalls aus verblichenen Zeiten, blüht schlohweiß und besitzt quittegelbe Blätter, die besonders im Austrieb sehr ins Augen stechen!
Und nun ein geradezu brutaler Wechsel. Zu den bizarren Schönheiten zählt die Berkheya purpurea aus Südafrika, auch Purpurdistel genannt. Mit dieser Art habe ich die besten Erfahrungen gemacht. Sie entwickeln sich zu üppigen Exemplaren, deren helllila Blüten ziemlich auffällig sind und über einen langen Zeitraum erscheinen. Allerdings sollten sie bei uns in gute Böden gepflanzt werden, die zusätzlich einen hohen Anteil an Splitt aufweisen sollten, dieser dient dem notwendigen Wasserabzug. In ihrer Heimat kannst du sie an Bächen und in Sümpfen bewundern, aber auch am Straßenrand und in Wiesen. Dort herrschen jedoch andere Niederschlagssituationen, die über das Jahr anders konzentriert sind. Bei uns sind die Winter teilweise leider zu nass, deshalb unbedingt ein guter Wasserabzug!
Hier ein Prachtexemplar von Berkheya purpurea, gleich rechts im Kiesbeet in unserer Einfahrt.
Und im nächsten Bild bekommst du einen Eindruck davon, wie dieselbe Art in ihrer Heimat Südafrika gedeiht, auf einer feuchten Bergwiese in den Easter Cape Highlands in 3.200 m Seehöhe. Für mich ist diese Erkenntnis von unglaublicher Wichtigkeit, denn hier sieht man überdeutlich, dass man den Naturstandort nicht immer 1:1 in den Garten übertragen kann und dass manche Stauden eine breitere Standortamplitude (nass bis trocken, sonnig bis schattig) besitzen, als man ihnen zumutet. Und dass sich einige Stauden durch mangelnde Konkurrenz in der Gartenkultur wesentlich üppiger entwickeln, wie man auf diesen beiden Bildern unschwer erkennen kann.
Eine weitere Gattung, die es mir seit Jahren angetan hat, sind die Schuppenköpfe (Cephalaria). Auf den ersten Blick erinnern sie an Skabiosen, mit denen sie auch nahe verwandt sind. Bei manchen Arten schweben die hellgelben Blüten regelrecht auf lockeren Rispen. Die Schuppenköpfe blühen über einen langen Zeitraum. Hier bei uns stehen sie zwischen Pagelschen Chinaschilfsorten. Ich schätze an ihnen vor allem ihre Dauerhaftigkeit und lange Blütezeit.
Auf unserer Website findest du in Zukunft unter der Rubrik „Rundbrief und Bücher“ einige Aufsätze und Berichte des Journalisten und Fotografen Sergey Kalyakin, welcher in Deutschland lebt, ihn lernte ich vor vielen Jahren kennen. Diese erscheinen in lockerer Folge über englische Gartenkultur und anderes mehr, aber lies selber!
In diesem Zusammenhang möchte ich dich zu einem Vortrag von mir herzlich einladen, welcher am 10. März im Saal des Amtshof Kritzendorf in Klosterneuburg stattfindet. Da außerordentlich viele Bekannte und Freunde von mir und wahrscheinlich auch von dir im Großraum Wien leben, wäre es doch nett, wenn wir uns dort sehen!
Der Stauden-Garten im Zeichen des Klimawandels
Der naturnahe Garten mit winterharten Blütenstauden wird zum Gartenstil des 21. Jahrhunderts.
Österreichs führender Staudengärtner und botanischer Experte „Sarastro“ Christian Kreß aus dem Innviertel zeigt uns, wie der Privatgarten mit einem Staudengarten eine Antwort auf den Klimawandel geben kann. Die große Vielfalt der Stauden bereichern unsere Gärten und werden – auch ohne Gießen – zu Insektenmagneten! Viele Beispiele und Pflegemaßnahmen runden den Vortrag ab.
Wann: Freitag, den 10. März 2023, um 18 h, Dauer ca. 90 Min.
Wo : Amtshaus in 3420 Kritzendorf, Hauptstraße 56-58
Ich würde mich sehr freuen, wenn ich dich und viele deiner Gartenfreunde aus dem Wiener Raum begrüßen darf!
Es ist zwar noch ein Weilchen hin, aber betrachte bitte auch unsere Veranstaltungshinweise. Ich darf dir jetzt schon sagen, dass wir wieder bei der Wiener Raritätenbörse teilnehmen werden! Die letzten Jahre entfielen ja durch die Corona-Krise. Du kannst also schon jetzt deine Bestellungen dahingehend sondieren.
Ich wünsche dir einen sanften Vorfrühling mit vielen tollen Pflanzenerlebnissen in deinem Garten! Dein
Staudengärtner Sarastro (hier am Sani-Pass in Lesotho)