Newsletter VII/2019 (Entstehung des Bienengartens)

Liebe Pamina, hallo Papageno!

Nun wird es endlich mal Zeit, dir mein neuestes Projekt vorzustellen. Ganz neu ist es ja nicht mehr, denn wir begannen damit bereits im Oktober letzten Jahres. Ich spreche von unserem Insektengarten, hier vor Ort und in Ort. Ich hatte dir in den vergangenen Rundbriefen desöfteren berichtet, dass es in unserer ausgeräumten Kulturlandschaft leider höchst notwendig geworden ist, dem Insektensterben ein wenig Einhalt zu bieten. Dass das Insektensterben nicht mehr wegzudiskutieren ist, merkst du, wenn du eine längere Autofahrt hinter dich bringst. Noch vor einigen Jahren waren die Scheiben voller toter Stechmücken und Fliegen aller Art, sowie auch Bienen und Wespen, wenn du am Ziel angelangt warst. Jetzt ist die Scheibe auch nach hunderten Kilometern nahezu clean. Nur ein kleines Beispiel, woran du das Insektensterben im Alltag erkennen kannst.

Kurz und gut – wir wollten deswegen ein kleines Zeichen setzen, für die Öffentlichkeit und möglichst direkt vor unserer Haustüre. Wir, das heißt mein Nachbar und ich. Karl ist ein begnadeter Hobbyimker und Herr über etliche Bienenvölker. Wir beide wohnen inmitten dörflicher Asphaltflächen mit permanentem Durchzugsverkehr, in einem ländlichen Viereck zwischen Volksschule, Dorfkirche, Kindergarten und Friedhof, eigentlich so richtig mitten im Leben! Zwischen dem Friedhof und unserem Haus befindet sich allerdings eine kleine Rasenfläche von rund 500 Quadratmeter. Sie hatte keinerlei Funktion, zeigte sich stets etwas verloren und war kahlgrün anzusehen, sie musste noch dazu mehrmals im Jahr gemäht werden. Schon kamen dumme Gedanken aus den Mündern einiger Gemeindemandatare, daraus Parkflächen zu machen, gerade so, als ob ringsum viel zu wenig davon vorhanden wären, damit noch mehr Fläche versiegelt wird! Als ich dies vernahm, wurde ich gegen diese Gedanken rebellisch und sinnierte, womit man auf jene „Ideen“ wohl antworten könnte.

Da kam mir der Gedanke mit dem Insektengarten. Das Grundstück gehört nach wie vor der örtlichen Kirche. Also fragte ich unseren Herrn Pfarrer, ob irgendetwas gegen ein größeres Beet mit blühenden Insektenstauden spräche, quasi als Vorbildfunktion und Anschauungsobjekt für die Bevölkerung und letztlich auch für andere Gemeinden. Die Pflege würden wir übernehmen, Stauden aller Art kommen Nachbars Bienen zugute, mir als zusätzliches Stecklings- und Mutterpflanzenreservoir, in der Hauptsache aber als ein lehrreiches Objekt für Jung und Alt, zur allgemeinen Freude. Pfarrer Johannes gab sofort seinen Segen, er war im Übrigen von dieser Idee sehr angetan.

Der Insektengarten nahm eine nierenförmige Gestalt an und maß etwa 180 Quadratmeter, also ein ganz nettes Fleckchen! Mithilfe der Baumschule Gurtner, einem ortsansässigen Unternehmer, wurde die von mir angezeichnete Fläche maschinell bearbeitet und wir verbesserten den vorhandenen Boden zusätzlich mit gutem, ausgereiftem Kompost, dazu streute ich Hornspäne auf die wohlvorbereitete Fläche. Da mussten die Stauden ja wachsen!

Als soweit alles pflanzfertig war, ging ich an das Auswählen der entsprechenden Stauden. Welche Prämissen sind hier wohl vorrangig? Die Stauden sollten möglichst aus Insektenmagneten bestehen, jedoch nicht ausschließlich für Bienen, sondern vor allem auch als Pollen- und Nektarspender für alle anderen Insekten, für Schmetterlinge, Schwebfliegen, Hummeln und anderem Gesumse. Und die Blütezeit sollte sich möglichst von März bis in den Spätherbst hinein erstrecken, mit Höhepunkten der unterschiedlichsten Art. Sodann wählte ich Stauden aus, welche sich in ihrer Blütenfarbe gegenseitig ergänzen und auch durch ihre Blatttextur der Pflanzung die nötige Abwechslung verleihen. Schlussendlich kam ich auf rund 45 Arten und Sorten, insgesamt auf etwa 800 Pflanzen, die Auswahl hatten wir ja!

Ich bin ein Gegner von zu dichtem Pflanzen, denn die einzelnen Stauden sollten sich ja gut entwickeln und zur Geltung kommen. Dies können sie nur dann, wenn sie nicht zu dicht stehen. Bei Stauden für Beetsituationen aller Art rechne ich stets mit etwa 5 Exemplaren pro Quadratmeter. Wenn schneller ein fertiger Eindruck entstehen soll, dann sind auch 7 Stück gestattet. Bei Bodendeckern dürfen es auch ruhig ein paar mehr sein, je nach Situation, Zeit und Geldbeutel.

Immer wieder höre ich Bedenken, sowie die Aufforderung, man sollte doch nach Möglichkeit nur einheimische Pflanzen als Insektenmagneten verwenden. „Einheimisch“ ist schon länger „in“ und kommt schon seit geraumer Zeit bei der Bevölkerung gut an, „einheimisch“ wird von nicht wenigen Hochglanzzeitschriften und einigen Ökopopulisten hochgehalten, „einheimisch“ wurde beispielsweise in der Schweiz sogar fast schon zur gartenkulturellen Staatsräson hochgepuscht. Glaub es mir, liebe Pamina, viele Insekten sind Generalisten und nehmen das, was sie gerade vorfinden, sehen wir einmal von Pflanzen ab, welche auf Spezialbestäuber angewiesen sind. Und für den Zweck einer Insektenweide steht uns erheblich mehr zur Verfügung, wenn wir besonders auf viele sogenannte „fremdländische“ Pflanzen zurückgreifen, Stauden aus den Prärien Nordamerikas, aus Zentralasien, selbstverständlich auch aus Europa! Betrachte ich mir den Diptam, dann ist dieser zwar einheimisch, aber kommt nirgendwo im Innviertel vor. Hier die Trennlinie zu ziehen ist was für Puristen und führt in unserem Fall einer Insektenweide kaum zum Ziel.

Und wir befinden uns hier inmitten dörflichen Siedlungsgebietes und keinesfalls in der offenen Landschaft oder gar in unberührter Natur, sofern es diese hierzulande überhaupt noch gibt. Das heißt, wir betreiben mit unseren „fremdländischen“ Stauden keinerlei Florenverfälschung. Und zum anderen verwende ich absichtlich solche Stauden, die mit ihren ungefüllten Blüten hervorragende Pollen- und Nektarspender darstellen und sich nebenbei kaum aussäen. Ein einzelnes Insektennahrungspflänzchen einheimischer Provenienz nützt uns kaum etwas. Nebenbei bemerkt wäre draußen in der Natur dringend ein vernetzter Biotopschutz angesagt. Garten ist Garten und Natur ist Natur, wenngleich der Garten durchaus wohl auch als ein kleiner Teil der Natur anzusehen ist.

Apropos Friedhof. Das ist ein Ort, wo sich Leben und Vergehen die Hand reichen, wir hätten mit Stauden viel mehr an Möglichkeiten als mit jenen sterilen Begonia semperflorens oder den Stiefmütterchen mit Mammutblüten, an denen unsere Insekten keinerlei Freude finden. Hier zeigt uns die Vergangenheit einmal mehr, dass Friedhöfe schon bessere Zeiten hinter sich hatten, wo besonders die Gräber mit allerlei Stauden verschönert wurden, ja, Friedhöfe wurden neben Klostergärten zu einer Art „Sortenüberlebensrefugium“. Das Betätigungsfeld Friedhof wird sich jedoch erst dann auftun, wenn in unseren Köpfen dem Friedhof wieder ein übergeordneter Stellenwert eingeräumt wird und nicht nur als ein kurzzeitiger Begegnungsort an Allerheiligen. Aber ich schweife schon wieder gewaltig vom Thema ab.

Unsere Stauden legte ich auf der vorbereiteten Fläche aus und gruppierte sie nach Farben und den unterschiedliche Blütezeiten, dass ein möglichst abwechslungsreiches Bild entsteht. Eigentlich bin ich ein Freund differenzierter Staudenpflanzungen, also möglichst natürlich und scheinbar wie wild durcheinander. Eine Zusammensetzung ähnlich einer natürlichen Wiese. Das wird aber auf Dauer schwierig zu pflegen, besonders, wenn das Pflegepersonal nicht gelernt hat, das Unkraut von den Stauden zu unterscheiden, was besonders in der Austriebsphase im Vorfrühling von ganz entscheidender Bedeutung ist. Größere Gruppen einer Art sind hingegen sehr wirkungsvoll und plakativ, vor allem aber leichter zu pflegen, meiner Meinung nach aber ziemlich fantasielos. Deswegen plädiere ich neuerdings für eine Mischung aus beider Arten der Vergesellschaftung, hier lange Drifts, dort kleinere Gruppen, hier mal eine Solitärstaude, dann der Rand des Beetes ein Stück weit uniform. Unruhe und Spannung ist angesagt, längere Betrachtung bringt erst die Ruhe.

Vor allem aber brauche ich Ruhe bei der Aktion des Auslegens, und dass mir in dieser Zeit ja keiner dreinquatscht und mich aus dem Konzept bringt! Hier muss man alle Register ziehen und seine Stauden, ihre Wuchseigenschaften und Vorzüge geistig Revue passieren lassen, um sie sinnvoll miteinander zu verquicken. Dieses Auslegen der Stauden beanspruchte etwa zwei Stunden, bis ich vollends zufrieden war, die Pflanzaktion konnte sogleich beginnen.

Hier eine kleine Liste an Stauden, welche sich als wahre Parade-Insektenmagneten erwiesen haben und die du in unserem Insektenparadies vorfindest:

Indianernesseln – Monarda in Arten und Sorten (alle 3-4 Jahre verjüngen!)
Anisysop – Agastache rugosa, A. foeniculum, einschließlich Sorten wie ‘Blue Danube‘
Bergminze – Calamintha nepeta ‘Triumphator‘ (der beste Langzeit-Dauerblüher!)
Kompasspflanze – Silphium mohrii, Silphium perfoliatum, Silphium wasitonense
Herbstastern – Aster novae-angliae, Aster novi-belgii und Hybriden
Sonnenhut – Rudbeckia fulgida, Rudbeckia missouriensis, Rudbeckia triloba (2-jährig)
Sonnenbraut – Helenium in vielen Sorten, frühe und späte!
Staudensonnenblume – Helianthus, in Arten und Sorten
Roter Sonnenhut – Echinacea in Arten und Sorten
Goldbaldrian – Patrinia scabiosifolia
Himalaya-Silge – Cortia wallichiana (ausdauernder Doldenblütler)
Amerikan. Bergminze – Pycnanthemum in Arten und Sorten (keine Schönheit, aber ein wahnsinniger Insektenmagnet!)
Salbei – Salvia nemorosa und Sorten, Salvia pratensis, Salvia sclarea (ein Muss!)

Und auch Gräser müssen natürlich dabei sein, schon für die Struktur des Beetes sind sie von allergrößter Wichtigkeit! Hier wählte ich Rutenhirse (Panicum virgatum) und Foersters Reitgras (Calamagrostis x acutiflora) aus, im Randbereich einige Exemplare von Festuca mairei.

Dir fällt vielleicht auf, dass bei obiger Auswahl einige Gemeinsamkeiten vorherrschen. Ja stimmt – es sind durchwegs entweder Lippenblütler oder Korbblütler, einschließlich einiger Doldenblütler. Nicht, dass etwa andere Blütenpflanzen keinen Nektar produzieren, doch selbige tun dies über einen langen Zeitraum.

Nachbars Karli, seinerseits großer Hobbyimker half mir dann bei der eigentlichen Pflanzaktion. Zuerst wurden alle bereits ausgelegten Stauden ausgetopft, danach genau an jener Stelle gepflanzt, wo sie ausgelegt wurden. Ja, ich neige dazu, dass unterm Pflanzen immer wieder einiges umgruppiert wird, hier ist einer Sonnenbraut zu viel Platz eingeräumt worden, hingegen einer Gruppe der Anisysop wesentlich zu wenig!

Du siehst an den Bildern die Stufen der Pflanzaktion und am letzten Bild, wie weit die Pflanzung bereits fortgeschritten ist. Falls du dich über die weiteren Entwicklungsphasen informieren möchtest, kannst du dies auf meiner FB-Seite (Sarastro Kreß) verfolgen, da werde ich im Laufe der Jahreszeiten mehrfach alles dokumentieren. Die Pflegegänge absolvierten wir von Beginn an rechtzeitig, noch bevor aufkommendes Unkraut sich bereits ausgesät hat. Sie beschränkten sich in der Anfangsphase auf 3 x eine Stunde für die gesamte Fläche. Über die weiteren Pflegegänge werde ich dich in Wort und Bild in den kommenden Rundbriefen teilhaben lassen! So viel heute zu unserem Orter Insektengarten, du kannst diesen selbstverständlich jederzeit besichtigen, er befindet sich schließlich inmitten öffentlichen Geländes, sozusagen symbolisch zwischen Leben und Tod, wie wahr doch!

Ansonsten sind wir in der Gärtnerei mittendrin im Vermehren. Jedes Jahr das gleiche Lotteriespiel. Was wird wohl in der kommenden Saison an Highlights, an Topsellern zu erwarten sein? Welche Stauden erfreuen sich ungebrochener Beliebtheit, welche entpuppen sich mit der Zeit als Ladenhüter? Die vielen Hobby-Zeitschriften wirken nicht unerheblich auf unseren Absatz ein. Das ist sicher sehr positiv zu betrachten, ob wir dies nun für einige Stauden gut heißen mögen oder nicht, darüber kann man durchaus diskutieren. Wenn allgemein zu lesen ist, dass Sterndolden sich großer Mode erfreuen, dann merken wir dies natürlich im Absatz. Unsere Staudengärtnerei versucht trotzdem, über das gewisse Maß hinaus auch Trendsetter für Neuheiten unbekannter Art zu sein. Wir probieren diese oder jene neu eingeführte Wildstaude oder Züchtung aus, stets mit kritischem Auge. Probier einfach mal einige der oben angeführten Insektenmagneten aus, ob es sich bei diesen nun um Neuzüchtungen oder um „alte Hüte“ handelt, dies ist nebensächlich, hier geht es ganz einfach um die Sache.

Auch unser Phloxsortiment hat sich wieder um etliche Neuzugänge vergrößert. Wir vermehrten in diesem Jahr einige Sorten, die wir nun schon deslängeren in unserem Phloxmuseum stehen hatten, welche sich als gesund und wüchsig erwiesen haben und sich gut präsentierten. Auch einige brandneue Sorten aus Russland sind dabei. Ich sehe die russischen Züchtungen nach wie vor als eine unvergleichliche Erfolgsgeschichte, zu der man den Leuten dort nur herzlich gratulieren kann.

Unsere Schwerpunktwoche „Alles Phlox!“ findet vom 15. Bis 20. Juli statt, bis dahin werden hoffentlich auch einige der frisch vermehrten und neueren Sorten einigermaßen eingewachsen sein. Wir freuen uns auf jeden Besuch, schon jetzt blüht bereits meine Lieblingssorte ‘Gzhel‘, ein echter Hingucker der so erfolgreichen Phloxzüchterin Elena Konstantinova! Hier ein Bild dieser wundervollen Sorte, extra für dich!

Und noch etwas habe ich dir exklusiv anzubieten: ich konnte drei Exemplare der seltenen und limitierten Ausgabe des Buches „A Plant Hunter in Afghanistan“ des weit bekannten, britischen Botanikers Christopher Grey-Wilson ergattern, noch dazu von ihm persönlich handsigniert. Eines behalte ich mir selbst, die anderen beiden möchte ich gerne an dich veräußern, falls du Interesse hast, je Exemplar zu 40 Euro, exklusive Porto. In diesem Buch entdeckst du kaum gesehene Aufnahmen von Pflanzen, Menschen und Kultur, aus einem „Dreamland“, das sich uns zum Reisen und Botanisieren wohl leider so schnell nicht öffnen wird. Chris Grey-Wilson hatte Afghanistan Mitte der 70er-Jahre bereist, als dort die Welt noch einigermaßen in Ordnung war. Den ersten zwei meiner Paminas oder Papagenos, die sich per Mail bei mir melden und daran Interesse haben, schicke ich das Buch gerne zu!

Bleibt mir nur, dir alles Gute zu wünschen und bis bald!

Dein Staudengärtner Sarastro

Christian H. Kreß und Mitarbeiter

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