Newsletter VII/2014 (Alles über Doldenblütler)

Liebe Pamina, hallo Papageno!

Dieses Mal möchte ich mich ein wenig den Doldenblütlern widmen und dir hierzu meine Erfahrungen zum Besten geben. Auf die Verwendung von Doldenblütlern (Apiaceae, früher Umbelliferae) wurde von einigen Staudengärtnern und Pflanzenverwendern schon vor mehr als zwanzig Jahren aufmerksam gemacht. Nicht nur deren schirmförmige oder kugelige Dolden bringen uns neue und ungewohnte Aspekte in den Garten, sondern gerade die Verbindung mit herkömmlichen Beetstauden verleiht jeder Situation ein natürliches, verspieltes Aussehen. Und zusätzlich ist es eine Tatsache, dass Fenchel und Co. als Lückenfüller neben ihrer Textur auch eine dienende Funktion besitzen. Du kannst auf einjährige, zweijährige und sogar auf ausdauernde Doldenblütler zurückgreifen. Das Schöne an ihnen ist nicht nur deren Blüte, sondern insbesondere die über das Jahr wechselnde äußere Gestalt.

Und so kannst du zusammen mit diesen so unterschiedlichen Blütenstrukturen durchaus spannende Situationen schaffen, so wie auf dem ersten Bild unschwer zu erkennen ist. Nur der Eselsdistel (Onopordon acanthium) solltest du etwas mehr Aufmerksamkeit zollen, damit sich diese nicht in deinem ganzen Garten breit macht. Auch siehst du rechts hinten bei genauerem Hinsehen einen eher unbekannten Doldenblütler. Dies ist die rätselhafte Heilwurz des Mittelmeerraumes, welche bei uns überraschend gut winterhart ist. Opopanax chironium ist allerdings nur zweijährig und blüht mit gelblichen Dolden an stark verzweigten Rispen, bei uns im mediterranen Garten in Verbindung mit schlanken, pfeilförmigen Königskerzen und den immer willkommenen Kugeldisteln. Wir bekamen den Samen als Ferula communisgekennzeichnet, doch der Riesenfenchel hat ein gänzlich anderes Aussehen und ist bei uns nicht winterhart.

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Aber selbst einjährige Doldenblütler sind an vielen Stellen eine willkommene Bereicherung. Falls du irgendwo einmal den Samen von Orlaya grandiflora erwischst, dann streue diesen in Lücken deiner Beete und achte auf deren Keimung. Das farnähnliche Blattwerk ist äußerst dekorativ und die Leuchtkraft der unverkennbaren Dolden unschlagbar! Ich hatte in meiner Anfangszeit nur wenig für diese Doldenblütler-Pflanzengruppe übrig. Nur den Riesenbärenklau (Heracleum mantegazzianum) besorgte ich mir schon sehr bald, da dieser damals in den 70er-Jahren selbst in Staudengärtnereien noch zu bekommen war. Er wird ja schon deslängeren als gefährlicher Neophyt eingestuft, aber der Hauptgrund seiner Gartenverbannung ist wohl eher in seiner fototoxischen Wirkung zu suchen. Mir sind einige Personen bekannt, die von diesem imposanten Teufelszeugs bleibende Pigmentschäden an Armen und Beinen davongetragen haben. Dies geschieht jedoch bekanntermaßen nur dann, wenn gleißende Sonne und viel Schweiß mit im Spiel sind.

Aber sei bitte vorsichtig, du kannst durchaus auch von anderen Stauden brandblasenähnliche Hautekzeme davontragen! Einige Gartenliebhaber reagieren beim Saft der Wolfsmilcharten derart, besonders die Schleimhäute können arg in Mitleidenschaft gezogen werden. Und zwei meiner Mitarbeiterinnen zogen sich letztens üble Blasen zu, als sie die Blätter einiger Engelwurzarten (Angelica) zurückschnitten, ohne dass irgendjemand geringsten Verdacht schöpfte. Die beiden taten mir von Herzen leid! Zum Glück hinterließen die Blasen keine bleibenden Schäden!

Die Engelwurz zählen bekanntlich zu den klassischen Heilpflanzen und die Euphorbien wurden in Deutschland immerhin zur Staude des Jahres 2013 gekürt. Zum Glück löst weder die eine noch die andere bei mir selbst irgendwelche Allergien oder hinterlässt keinerlei Rückstände, aber das kann sich bei dir wieder ganz anders auswirken! Ich könnte mich mit den ätherischen Ölen vom Brennenden Busch (Dictamnus albus) und der Weinraute (Ruta graveolens) regelrecht einreiben, so sehr mag ich diesen Duft, weil er mich so sehr an die Gestade des Mittelmeeres erinnert. Pass also auf, wenn du diese Stauden in die Hände nimmst und zurückschneidest! Aber auch hier stehe ich auf dem Standpunkt der Aufklärung und bin der Meinung, dass das Wissen um die Pflanze uns entscheidende Impulse und Erkenntnisse vermittelt und nicht der einfachere Weg der Verbannung, ähnlich vieler Giftpflanzen.

Ein bei allen Staudenfreunden äußerst beliebter Doldenblütler ist der zweijährige, schwarzblättrige Waldkerbel (Anthriscus sylvestris ‘Ravenswing‘). Er vermittelt uns das gewisse, beschwingte Etwas, sorgt mit seinem dunklen Austrieb für ein spannungsgeladenes, aber ruhiges Bild, um dann später mit seinen kerbelartigen Dolden die Szenerie zu beherrschen. Er steht bei uns seit vielen Jahren und ist so recht ein gutes Beispiel für Blackbox-Gardening, ein Zulassen von Dynamik, inmitten von statischen Beetstauden wie Phlox und Geißraute.

Ein weiterer, inzwischen sehr verbreiteter Doldenblütler ist der Rotblättrige Fenchel (Foeniculum vulgare‘Atropurpureum‘). Hier steht allerdings seine sehr filigrane Erscheinung viel eher im Vordergrund als die fahlgelben Dolden. Trotzdem können auch sie ein hübsches Bild abgeben, wie du im linken Bild siehst, wo ein blühender Fenchel die Kerzen von Agastache ‘Blue Fortune‘ unterstreicht. Rechts zwei Vagabunden nebeneinander, wer wird wohl der Stärkere sein? Das hellrosa Weidenröschen (Epilobium angustifolium‘Stahl’s Rose‘) trieb ich vor etlichen Jahren in England auf, es ist noch nicht sehr verbreitet. Pass auf, dass dir die Samen nicht ausreifen, denn dann kann es zur gefürchteten Pestilenz werden! Trotz allem, bei deinen Gartenfreunden sehr begehrt.

Die Gattung des Bergfenchels (Seseli) verspricht uns so manche Überraschung. Die meisten sind zweijährig, so der skurrile Seseli gummiferum, den ich anlässlich meines ersten Besuches im historischen Alpengarten des Oberen Belvedere in Wien entdeckte. Ich erbat etwas Samen bei Robert Klaus, dem damaligen Leiter, und säte ihn im Winter aus. Die hübschen, grauen Rosetten zeigen sich schon so wundersam bizarr, aber noch skuriler ist der rosa Blütenstand, welcher auf Stängeln im Zickzackkurs sitzt. Damals interessierten sich nur eingefleischte Liebhaber für diesen Bergfenchel.

Und einen noch wundersameren Doldenblütler bekam ich vor zwei Jahren von Fritz Kummert aus der Steiermark. Ich besuchte ihn im November, zusammen mit Ewald Hügin und Frank Fischer, da fielen mir entlang der Einfahrt etwa ein Meter hohen Zickzack-Stängel auf, die in einem Trockenbeet entlang einer Mauer standen. Die kugelrunden Blütendolden schienen schon sehr lange an den Stängeln zu haften. Begeistert war ich über dieses mir unbekannte Seseli globiferum aus Montenegro, nun können wir diesen zweijährigen Bergfenchel erstmalig anbieten! Leider habe ich noch kein brauchbares Bild davon, um dir meine Begeisterung darüber zum Ausdruck zu bringen.

Aus China stammen nicht nur blaue Lerchensporne, seltene Frauenschuhorchideen und unbekannte Enzianarten. Auch mit der Chinesischen Engelwurz kannst du dir einen auffälligen Doldenblütler in den Garten holen. Die fast runden, weinroten Dolden haben einen Durchmesser von bis zu 20 cm. Leider sind die Blattrosetten ein regelrechtes Schneckenfutter, zumindest bei uns! Auch die Blätter der Taiwanesischen Engelwurz (Angelica taiwanensis) scheinen den Mollusken gut zu schmecken. In unserem Schaugarten symbolisieren die beiden Raben aus Ton geradezu, dass von diesen monumentalen Doldenblütlern auch Unheil ausgehen kann, sofern deine Haut empfindlich ist.

Etliche Apiaceae könnten uns erfreuen, das dachte ich neulich, als ich mit dem Auto entlang des Traunsees fuhr und an Kalkfelsen prächtigen Bergkümmel (Laserpitium siler) entdeckte. Aus den Monsuntälern des Himalayas stammt dagegen Cortia wallichiana, die Himalaya-Silge. Hier hast du eine ganz tolle, ausdauernd wachsende Staude, die ich dir wärmstens empfehlen kann und dich jedes Jahr von neuem erfreut. Vor längerer Zeit konnte man sie auf einer Internationalen Gartenschau in Holland bewundern, wo sie neben Sonnenbraut und Phlox endlich ein Zeitalter kreativer Staudenverwendung einläutete. Auch bei uns steht sie zwischen Geranium, wo sie zusammen mit dem Eisenkraut (Verbena bonariensis) die abgeblühten Kugeln unserer Globemaster-Lauchs im Nachhinein vortrefflich in Szene setzt. Die Dolden halten über einen langen Zeitraum. Kann es Schöneres geben?

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Sommerloch bedeutet im Staudengarten alles andere als Langeweile, wir befinden uns ja nicht in der Politik und haben es auch nicht nötig, „mediengeil“ einander etwas vorzugaukeln! Von jenem Haarstrang erzählte ich dir schon desöfteren, dessen Samen ich in Zentralbosnien sammelte. Hier kannst du anhand der Bilder dessen Entwicklung im Jahreszyklus erkennen. Das Schönste ist sein Austrieb, bei uns steht er inmitten vonNarcissus poeticus.
Nun sorgten wir reichlich für Nachkommen, da er endlich sich anschickte, nach so vielen Jahren auch einmal zu blühen und reifen Samen ausbildete.

Unsere Taglilien blühen in wenigen Tagen voll auf. Kaum eine andere Pflanzengattung ist so dauerhaft und zuverlässig im Garten! Bei uns kannst du zwar nicht den neuesten, lila-gelb gerüschten „Schrei“ erwerben, aber wir sind bemüht, einige Highlights der letzten 20-30 Jahre zu vermehren. Und österreichische Sorten sind auch dabei, die sich bei uns über Jahre als sehr zuverlässig herausstellten. Besonders die roten Sorten haben es den Kunden angetan. Ein kleiner Tipp: wenn du deine knospigen Taglilien abends mit lauwarmen Wasser überbraust, dann kannst du mit der tags darauffolgenden Blütenfülle regelrecht angeben, denn sie öffnen sich daraufhin wesentlich leichter! Und wenn dich ab August das vergilbende Blattwerk stört, dann schneide die Horste einfach auf die Hälfte zurück. Der Neuaustrieb bewirkt ein ordentliches Aussehen.

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Juli ist für uns der Hauptmonat des Topfens und der Staudenpflege. Auch das Stecklingsauge ist wachsam, ebenfalls wird dem Unkrautmanagement Rechnung getragen, wie dies im Staudengärtner-Unternehmerdeutsch so schön heißt. Du triffst uns im Juli auswärts an keinerlei Gartentagen an, erst wieder im August in Maikammer in der Pfalz. Mit Sicherheit werden wir dort einen Teil unserer russischen Phloxe präsentieren, falls sie dann noch blühen! Aber viele Freunde von dir schauen auch auf einen Sprung zu uns in der Gärtnerei vorbei, vom verdienten Urlaub auf dem Weg vom Süden in den Norden und Nordwesten. Ort im Innkreis liegt ja irgendwie auf der Strecke zwischen Athen und Hamburg!

Leider war der letzte Monat nicht nur mit Glück behaftet. Vor wenigen Tagen verstarb ganz plötzlich mein lieber Vater, wenige Tage vor seinem 85. Geburtstag. Nur ihm habe ich es zu verdanken, dass ich mich damals als jugendlich wankelmütiger Naturliebhaber für den Beruf des Gärtners entschloss. Er hat mir rechtzeitig den alles entscheidenden Kick dazu gegeben. Das Leben erblüht und verglüht, dies zeigt sich nicht nur in unseren Stauden. Die Liebe zu den Menschen und zur Natur währt ewig. Das sagte auch schon Karl Foerster.

image043Ich wünsche dir einen schönen Sommer, möglichst ohne Unwetter und sonstigem Stress!

Dein Staudengärtner Sarastro

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