Newsletter VIII/2020 (Besuche bei Kollegen, Seltenheiten am Pavillon)

Liebe Pamina, hallo Papageno!

Dir ist sicher inzwischen bekannt, dass die meisten Staudengärtner untereinander eng vernetzt sind und sich sogar über Grenzen hinweg persönlich kennen, meist wesentlich intensiver als in irgendeiner anderen Sparte des Gartenbaues. Das rührt daher, dass es schlicht und ergreifend nicht so viele von dieser Sorte gibt.

Unter den Staudengärtnern finden wir jedoch frappierende Unterschiede, was Gärtnereigröße, Wege des Absatzes, Sortimentsvielfalt oder Spezialisierung im Allgemeinen anbelangt. Und nach all den Jahre darf ich dir berichten, dass jeder meiner Kollegen auf seine Weise zu seinem Glück gelangte, ob er nun 5 Millionen Stauden produziert oder nur auf eine Gattung, etwa Hosta spezialisiert ist oder Jungpflanzen produziert.

Was ich über alles liebe, sind Besuche bei meinen Kollegen. Dies machte ich seit jeher mit großer Begeisterung, in jeder Region und in jedem Land. Und nach all diesen Jahren wird mir nie langweilig, all die Staudengärtnereien zu durchforsten, man lernt ja bekanntlich nie aus und es ist durchaus interessant, die Entwicklung einzelner Betriebe über die Jahre zu verfolgen. Und dies fällt sehr unterschiedlich aus, wie du dir denken kannst. Gleichfalls suchen mich ebenfalls seit Jahren Kollegen auf, um nachzusehen, was sich bei uns so tut. Hier geben sich Kleinstproduzenten, Gartenarchitekten und Leute aus der Staudenindustrie regelrecht die Klinke in die Hand, besonders jetzt in den Sommermonaten. Und dies darf jetzt keinesfalls etwa als Betriebsspionage angesehen werden! Unsere Gärtnerei steht ja jedem offen, es muss sowieso jeder Betrieb sowieso seinen eigenen Weg finden. Und deswegen lautet mein oberstes Credo, es eben nicht so wie alle anderen zu machen, sondern meinen höchst eigenen, unverwechselbaren Weg zu beschreiten, der sich von anderen Gärtnereien wohltuend abhebt. Dies drückt sich im Sortiment, in der Pflanzenverwendung und im Ambiente aus. Es wäre für dich sehr langweilig, wenn du bei deinen Gärtnereibesuchen überall die gleichen Sorten vorfinden würdest. Darum wehre ich mich ja auch so entschieden gegen den Sortenschutz, da dieser nur Homogenität zur Folge hat, der Zierpflanzenbau macht es uns vor, die Landwirtschaft ist ebenfalls ein lebendiges Beispiel hierfür. Es lebe daher der Individualismus!

Früher ging ich bei meinen Besuchen jedes einzelne Beet durch, um ja nichts zu übersehen, Stauden, die mir vielleicht unbekannt waren, ich brauchte dafür Stunden! Angefangen hat es damals in den Niederlanden, wo ich Wochenende für Wochenende zahllose Gärtnereien, Botanische Gärten und Baumschulen abklapperte. Und neulich war ich wieder einmal in meiner alten Heimat und besuchte auf der Rückfahrt nach Österreich die Staudengärtnerei Gräfin von Zeppelin, die mir schon zu meiner Lehrzeit durch Zufall jene Initialzündung gab, mich mit Stauden überhaupt intensiver auseinanderzusetzen. Und Jahre später dann, ich war längst in Österreich, trafen wir uns über die I.S.U. (Internationale Staudenunion) wiederum im badischen Laufen, um zu einer botanischen Exkursion nach Südfrankreich aufzubrechen. Bei dieser Gelegenheit machte mich Frau von Stein, die allseits bekannte Iris-Gräfin, mit Ewald Hügin bekannt, der damals die Leitung der Staudenvermehrung in dieser so idyllisch schön gelegenen Staudengärtnerei hatte. Seither sind wir in Kontakt und unternahmen in diesen langen Jahren enorm viel gemeinsam. So entstehen Staudenfreundschaften! Ich könnte dir noch etliche weitere Beispiele erzählen!

Wie sich Staudengärtnereien in Zukunft weiterentwickeln, bleibt abzuwarten. Ich setzte jedenfalls immer auf zwei Standbeine, den Endverkauf in unserer Gärtnerei und auf den Versand der Stauden. Aber wie ich hier sitze und dir schreibe, ich möchte nicht zum ausschließlichen Versandgärtner werden, denn dies hat meines Erachtens nichts mehr mit Gartenkultur zu tun! Das wäre ungefähr dasselbe, wie wenn du dein Essen jeden Mittag schicken ließest und weder selbst kochst, noch Wert auf Gasthäuser legst. Oder deine Klamotten ausschließlich „anonym“ über das Internet bestellst und gemütliches „Shoppen“ gehen vollkommen ablehnst. Alles mit Maß und Ziel, ich freue mich jedenfalls über jeden Besuch von dir, ganz besonders über jüngere Semester, die dem Garteln etwas abgewinnen können. Früher war dies vollkommen normal, direkt in einer Gärtnerei einzukaufen, heutzutage muss dies zu einem „Gärtnereierlebnis“ mutieren. Muss denn wirklich alles mit einem Erlebnisfaktor versehen werden?

Bis jetzt lag bei uns das Verhältnis Versand zu Direktverkauf etwa 50 zu 50, dieses Jahr war bekanntlich vieles anders und der Internet-Versand überwog bei weitem, worüber wir natürlich hoch zufrieden und sehr glücklich waren. Das kann sich aber schon kommendes Jahr wiederum komplett verschieben. Wichtig erscheint mir, dass man in all diesen Dingen stets am Ball bleibt und reagiert. Ich lege sehr viel Wert auf Ambiente, auf neue Ideen der äußeren Gestaltung und der Staudenverwendung, auf eine Wohlfühloase! Und wir versuchen dir jedes Jahr etwas Neues zu bieten, ohne hierbei das Alte „über den Jordan“ zu schmeißen, ganz salopp formuliert!

Eine für mich schmerzliche Zeit begann vorigen Monat, als meine Schwester und ich das Haus meiner Eltern ausräumen mussten, um es zu vermieten. Etliche Bücher, sowie die kolorierten Kupferstiche meines Vaters nahm ich mit, um sie in unseren Verkaufspavillon zu hängen. Der Garten meiner Eltern aber löste in mir einiges an Wehmut aus. Sicher, ich bin nun schon so lange in Österreich, trotzdem geht so ein Abschied nicht spurlos an einem vorüber. Dieser Garten misst etwa 1.700 qm, hatte eine leichte Hanglage, mit natürlich gewachsenen Gneisfelsen des Südschwarzwaldes, an denen ich damals Felsenteller, Steinbrech und viele andere Schmankerln ansiedelte. Dieser Garten war meine eigentliche Lehrstelle, eine Versuchsstation und mein Tummelplatz, wo ich mich austobte und meine ersten Stauden pflanzte. Schon damals Mitte der 70er-Jahre bestellte ich per Post Stauden bei Kayser und Seibert, alpine Pflanzen bei Sündermann und anderen bekannten Gärtnereien, ich schleppte seltene Gehölze aus der Schweiz und von anderswo an, mein Vater pflanze historische Rosen mit großer Hingabe, kurz und gut, es war der Startschuss für eine große Leidenschaft, von der ich zum Glück bis heute nicht geheilt wurde. Der Urweltmammutbaum, den ich damals pflanzte, maß 80 cm, nun ist er mit seinen 18 Metern das dominante Gehölz im Garten. Die Rhododendren aus Schottland, die ich mir damals schicken ließ, sind dermaßen ineinander gewachsen, dass die innere Struktur und die Tiefe des Gartens vollkommen verloren ging. Aufgrund des fortgeschrittenen Alters meiner Eltern war es ihnen in den letzten Jahren unmöglich, den Garten intensiver zu pflegen, aber dieser war schließlich schon immer eher ein Naturgarten, wo stets nur korrigierend eingegriffen wurde.

Zurück ins Innviertel, nach Oberösterreich. Meinen Erdwall bepflanzte ich letzten November, auch den neu errichteten Spaltengarten und die Beete rundum des Pavillons machen sich ganz passabel. In unserem Schatzkämmerlein hatten wir eine Menge Raritäten in petto, die an ihrem Idealstandort ausprobiert werden wollten. Ich hatte meine letzten Exemplare der beiden winterharten Pelargonien zurückgehalten, um ihnen einen gebührenden Platz geben zu können. Ich erinnere mich noch gut daran, als ich damals in den späten 80er-Jahren diesen Schatz in der Türkei direkt am Naturstandort bewundern konnte! Auch Pelargonium quercetorum wächst inzwischen wunderbar, ich bin nur darauf gespannt, ob er den Winter übersteht. Seit ich diese im Nordirak wachsende Art in Schottland in einem Privatgarten voll blühend erlebte, geht sie mir nicht mehr aus dem Kopf!

Und hier kannst du Pelargonium endlicherianum bewundern

Und nur noch wenige Stück der seltenen Rehmannia glutinosa wurden gerettet und ich pflanzte sie an regengeschützte Stellen an der Südostseite unseres Verkaufspavillons. Außerdem sollten auch einige Oncocyclus- und Regeliocyclus-Iris sollten ihren gebührenden Platz erhalten, jene herrlichen Juwele des Orients! Dieses doch feuchtere Jahr half ihnen sehr, gut einzuwachsen, ohne dabei ein Zuviel an Feuchtigkeit abzubekommen. Allein, bei den ganzen Pelargonium endlicherianum erhoffe ich mir reichlich reifen Samen, um sie dir endlich anbieten zu können, denn diese Art ist trotz allem immer noch eine große Rarität, die selten zu bekommen ist.

Rehmannia glutinosa

Eine der selten verbreiteten Regeliocyclus-Iris, hier die Sorte ‘On Looks‘

Zwischendurch einen Blick in unseren Schaugarten, mit alten „Kleehüfin“

Die wöchentlichen Platzregen bescheren uns einige regelrechte Schneckeninvasionen. Hier hilft wirklich nur das Absammeln oder Feramol streuen. Besonders arg war es vergangene Woche, als wir den Rasen unseres Schaugartens mähten. Nachts kam der große Regen, am kommenden Tag tummelten sich Aberhunderte Schnecken auf der Fläche, um sich am restlichen Grasschnitt gütlich zu tun. Eigentlich die perfekte Gelegenheit, ihnen auf diese Weise zu Leibe zu rücken! Und gerade eben entdeckte ich, dass diese Biester sogar die Wachstumsspitze einiger Kugelkakteen (Echinocereus) angefressen und regelrecht ausgehöhlt hatten. Bin mal gespannt, wie diese winterharten Kakteen dies im Wachstum ausgleichen oder ob sie dauerhaft geschädigt sind.

Nelken sind erfrischend altmodisch und deshalb wieder modern geworden. Denke ich an früher zurück, da waren Nelken schon immer sehr gefragt, allein ihr Duft kann manche Zeitgenossen zu Höhenflügen veranlassen. Ein schwüler Nelkenduft ist unvergleichlich und ist niemals mit dem Pfefferduft eines Phloxes zu vergleichen. Mich erinnert dieser Duft stets an Blumensträuße aus den 70er-Jahren, bevor dieser anstelle pompöser und schwerer Blüten regelrecht weggezüchtet wurde. Schnittnelken wurden und werden zu Unmengen aus Kenia, Kolumbien und inzwischen auch Äthiopien importiert. Über diese Art der Globalisierung möchte ich mich jetzt nicht auslassen, aber in meiner Lehrzeit kultivierten wir noch selbst Schnittnelken, Chabaudnelken wurden diese genannt.

Von Nelken existieren Abertausende an Sorten, die aber hauptsächlich zu Schnittzwecken Verwendung finden. Uns aber interessieren vor allem Polsternelken für den Steingarten, für Trockene Freifläche und für Tröge, sowie einige Sorten, die sich zur Beeteinfassung eignen. Es existierte früher ein engagierter Nelkenzüchter mit dem Namen Knecht in Karlsruhe, dem wir Nelkensorten zu verdanken haben, die noch heute in den Sortimenten zu finden sind.

Mir kommt es bei Polsternelken vor allem auf eines an, dass eine ordentliche und dichte Polsterbildung bei gleichzeitig reicher Blüte gewährleistet ist. Eine der besten Nelkensorten, die wir im Sortiment schon lange hegen, ist die weiß blühende Dianthus plumarius ‘Ohrid‘. Sie wurde anlässlich einer I.S.U.-Exkursion nach Mazedonien in den 70er-Jahren in einem Privatgarten am gleichnamigen Ohrid-See nahe der albanischen Grenze gefunden. Die Teilnehmer erbaten von der Besitzerin ein Stück und nahmen es zur Vermehrung in ihre Obhut. Nicht nur, dass diese Nelke über viele Jahre ein dichtes Polster bildet, ja geradezu benebelnd ist ihr unbeschreiblicher Duft, den ich in dieser Intensität bei keiner anderen Nelke feststellte. ‘Ohrid‘ ist eigentlich eine reine Federnelke, keine Pfingstnelke (Dianthus gratianopolitanus), wie viele der anderen Nelkensorten. Auch kann diese kompakte Auslese wesentlich mehr an Trockenheit vertragen als andere Polsternelken.

Von einem guten Freund aus Thüringen bekam ich zwei sehr alte, reichblühende Nelken, die ebenfalls durch ihre reiche Blüte auffielen. Sie verkörperten geradezu den Charme verblichener Zeiten. Ihre richtigen Sortennamen festzustellen käme einer Sysiphusarbeit gleich und wird wahrscheinlich nie mehr möglich sein. Also bekam die weiß blühende Sorte den Namen ‘Cäcilia‘ und die rosa blühende ‘Maria Barbara‘.

Alte Nelkenpolster kannst du alle paar Jahre auseinanderteilen. Der beste Zeitpunkt ist der Hochsommer, ob du dies glaubst oder nicht! Nimm einfach eine Grabgabel und grabe deine Nelken aus, zerreiße sie vorsichtig, so dass etwas Wurzelwerk dranbleibt, und dann pflanze sie an anderer Stelle wieder neu. Sofortiges Angießen darfst du nicht vergessen. Überalterte Nelken, so wie solche mit schlechterer Polsterbildung erfahren nach der Blüte einen leichten Ordnungsschnitt, indem du mit einer Rasen- oder Baumschere die Polster etwas unterhalb der verblühten Stängel abschneidest. Nelken sind ganz allgemein sehr dankbare und vielseitige Stauden, die eine Zeitlang nicht mehr „Up to date“ waren, was schade ist.

Vom bekannten Staudengärtner Josef Holzbecher aus Lelekovice/Tschechien stammt ‘Babi Lom‘, ein wahres Blühwunder in Lilarot, mit dichten Polstern. Eine weitere Nelkensorte, die mich über die Jahre regelrecht begleitete, ist Dianthus plumarius ‘Munot‘. Sie hat der früher bekannte Alpenpflanzengärtner Max Frei aus Wildensbuch in der Schweiz ausgelesen. Munot heißt die umfangreiche Burganlage in Schaffhausen, nach ihr wurde diese rotblühende Nelke benannt. Max Frei war ein echtes Original und mir immerauch ein wenig mein Vorbild, ein Lebemensch und Individualist und ein großer Pflanzenkenner. Eigentlich war er Gastwirt, er hatte aber ein besonderes Händchen für Alpenpflanzen. Er konnte wie kaum ein anderer eine ganze Gesellschaft unterhalten! Und das erste, was er mir anbot, wenn ich ihn Samstag Nachmittags in seiner Gärtnerei besuchte, war eine Toscani, jene Zigarillos, das reinste Nervengift! Na, zum Glück rauche ich schon lange nicht mehr!

Dianthus plumarius ‘Munot‘, jene tief rote Nelke aus der Schweiz

Es ist zwar noch etwas verfrüht, aber schon jetzt darf ich dich auf die wohl einzige Veranstaltung hinweisen, an der ich in diesem Jahr teilnehme. Sie findet am 19. September bei Ewald Hügin, Zähringer Straße 281, in Freiburg/Breisgau statt, unter dem Titel:

„Ein Rendezvous mit 3 passionierten Staudengärtnern“

Hans Kramer (Kwekerij De Hessenhof, Ede, Holland)
Christian Kreß (Staudengärtnerei Sarastro)
Ewald Hügin (Gärtnerei Hügin, Freiburg)

Es findet um 14 Uhr eine Führung durch Ewald Hügin statt. Wir zeigen dir unsere Sortimentsschwerpunkte, sowie was wir als passionierte Gärtner können. Und natürlich bringen wir dir auch gerne deine Vorbestellungen mit.

Ansonsten gibt es nicht viel zu berichten. Der Hochsommer hat Einzug gehalten und wir sind am Topfen und vermehren, einige Mitarbeiter haben Urlaub genommen. Wir haben aber immer offen für dich, gerade jetzt in der Sommerzeit kommen sehr viele von deinen Gleichgesinnten und schlendern durch die Gärtnerei.

Ich wünsche dir weiterhin alles Gute, vor allem Gesundheit! Vielleicht sehen wir uns bald, lass dich durch Corona nicht abhalten!

Dein Staudengärtner Sarastro

Christian H. Kreß und Mitarbeiter

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