Newsletter X/2024
Liebe Pamina, hallo Papageno!
Herbstzeit ist angesagt! Ganz früher mochte ich den Herbst überhaupt nicht leiden, Vergänglichkeit drückt auf die Psyche, kombiniert mit lästigem Laubrechen und jede Menge notwendigen Vorbereitungen auf den Winter. Dabei läuft die Zeit rasant davon, denn was man im Herbst nicht erledigt, lastet auf dem kommenden Frühjahr. Heute denke ich zum Glück anders. Herbst bedeutet Ernte und Fülle, bedeutet Beschaulichkeit, langsam zur Ruhe kommen, aber auch Mut, etwas Neues zu beginnen, neue Ideen zu verwirklichen. Du kennst mich sicher inzwischen! Ruhe genießen ja, aber immer mit Blick nach vorne.
Aber einen kurzen Blick zurück, denn so beschaulich wie auf dem Bild verhielt sich das Wetter bei uns nicht. Vor 14 Tagen fielen Regenmengen vom Himmel, wie schon lange nicht mehr, man stritt, ob dies nun ein 100-jährliches oder 300-jährlich wiederkehrendes Hochwasser war. Allein, bei uns war es schlimm, aber kein Vergleich zu Niederösterreich und dem Wiener Becken, wo die gesamte Gegend zum Katastrophengebiet erklärt wurde. Besorgte Kunden und Freunde riefen uns an, ob wir Schäden zu verzeichnen hätten! Im Schaugarten bildete sich ein großer See, da der Boden gar nicht mehr die Aufnahmekapazität hatte. Keine Angst, unseren Topfkulturen passierte nichts, da diese etwas erhöht liegen! Und dank dem Schotteruntergrund war der „See“ nach anderthalb Tagen wieder Geschichte. Unserem aufgepflanzten, umfangreichen Phloxsortiment machte dies alles nichts aus, endlich mal genug Wasser, so kam es mir jedenfalls vor. Allerdings reagierten einige neue Sonnenblumen und Astern verschnupft auf die tagelange Staunässe, indem sie nach der Sintflut die Blätter und Blüten hängen ließen, sie sahen zum Erbarmen aus, aber auch sie erholten sich wieder.
Tagelange Regengüsse sind das eine, wenig Erbauliche. Aber jetzt darf ich dir auch mitteilen, dass wir am 5. Oktober eine Herbstveranstaltung in der Gärtnerei abhalten, also wenige Tage, nachdem du unseren Rundbrief gelesen hast. Kata brachte mich auf die Idee, so etwas endlich zu initiieren, allerdings lag der wahre Grund dieser Veranstaltung tiefer. Ich möchte dir den Hintergrund gerne erläutern!
Hier in Ort im Innkreis befindet sich das Stammhaus eines in Österreich inzwischen hinlänglich bekannten Modehauses, welches mit den Jahren etliche Filialen in ganz Österreich und im angrenzenden Bayern eröffnete, inzwischen ein Megaunternehmen mit weit über 1.000 Angestellten. Den Seniorchef kannte ich relativ gut, eigentlich seit ich in Österreich wohne. Und als ich mich vor fast 30 Jahren selbständig machte, gab er mir einen Tipp mit auf den Weg: „Verloss di net auf de Kunden vo da Umgebung, vo denen holst dir goa nix, do kunnst eher dahungern!“
Wie wahr doch! Damals war mir ziemlich schnell klar, dass ich mit unserem breiten und exklusiven Sortiment ausschließlich in der Region Innviertel keinen guten Start hinlegen würde. Mit Stauden agierten Kollegen auch damals hauptsächlich überregional oder gleich international. Und deshalb musste zu Beginn ein Katalog her, alleine von der hiesigen Laufkundschaft konnte ich wohl kaum überleben. Das soll kein Vorwurf sein, das war einfach so! Nebenbei war ich leider ein regelrecht geiziger Werbemuffel, denn Anzeigen in Lokalzeitschriften kosten irre viel Geld und bringen auf Dauer nur dann was, wenn man andauernd Einschaltungen schiebt. Ich machte schon auch Werbung, aber quasi hintenrum. Ich hielt jede Menge Vorträge bei Gartenbauvereinen, hauptsächlich in Österreich, aber auch vor Staudenliebhabern, meist in Deutschland, meist sehr weit weg, um auf diese Weise bekannter zu werden. Parallel dazu schrieb ich Bücher und verfasste darüber hinaus ungezählte Artikel für Fachzeitschriften. Dazu kamen später die Gartentage und so wurden wir langsam bekannt, der Versand der Stauden wuchs stetig und sicher, auch dank des vor 15 Jahren gestarteten Webshops.
Die Bevölkerung der Umgebung besah mein Tun und bewunderte zutiefst meinen bescheidenen Start, allein unser Geld verdiente ich ganz woanders. Und bis zum heutigen Tag kommen immer mehr Kunden aus der Region, die bemerkten, dass sie nicht gewusst haben, dass es uns überhaupt gibt! Mundpropaganda ist wertvoll, aber funktioniert ebenfalls nur über viele Jahre. Stammkunden stellen zwar dein gesichertes Kapital, doch sollten für die Zukunft jüngere, begeisterte Stauden- und Gartenliebhaber nachwachsen. Und aus diesem Grunde hatte Kata die Idee, ein Event zu starten, das im besonderen Maße die hiesige Bevölkerung der Region anspricht. Das bedeutet selbstverständlich auch, dass du von weiter weg ebenfalls sehr herzlich willkommen bist!
Alles weitere auf unserer Website, Sonderaktionen wie Kinderprogramm und historisches Schwertkämpfen findest du auf unserer Website unter www.sarastro-stauden.com.
Und nun zu der bereits üblichen Vorstellungsrunde bekannter und wenig bekannter Stauden, die dich sicher begeistern werden!
Angelica gigas – Chinesische Engelwurz
Was fange ich nur mit solch einem Riesen an? Ausgewachsen und in Vollblüte erreicht dieser Doldenblütler übermenschliche Größen. Das Besondere an der Chinesischen Engelwurz ist jedoch die weinrote Farbe ihrer halbkugeligen bis kugeligen Dolden. Zur Vollblüte ziehen sie jede Menge Insekten an, auch Ameisen, die sich am süßen Nektar laben. Der beste Standort wäre entlang eines Bachlaufes zu suchen, aber so etwas hat man ja nicht in jedem Garten anzubieten. Es genügt jedoch ein frischer bis feuchter, guter Boden, nicht nur an Gewässern! Diese Schönheit ist zweijährig, was bedeutet, dass die Pflanze im ersten Jahr ihre Blattrosette entwickelt und erst im zweiten Jahr die stattliche, weinrote Blüte schiebt. An geeigneten Standorten sät sie sich wie von selbst aus. Angelica gigas kann auch ohne weiteres zwischen Taglilien oder in jeder konventionellen Staudenrabatte untergebracht werden, wo sie zur Blütezeit ihre Bewunderer sicher auf ihrer Seite hat. Lass die Dolden ruhig stehen, bis sie unansehnlich werden. Sie verhelfen deinem Garten zu wichtigen Strukturen und einem außergewöhnlichem Blickfang.
Mimulus primuloides (Erythranthe primuloides) – Polster-Gauklerblume
Mit dieser reizenden Kleinstaude hatte ich schon relativ früh Bekanntschaft geschlossen, ich sah sie zum ersten Mal in Mallnitz in Oberkärnten, wo der schon verstorbene Pflanzenliebhaber Hermann Paulus aus Eppstein ein Ferienhaus besaß, wo sich im Garten in 1.000 m über dem Meeresspiegel der Tibetmohn (Meconopsis) und viele andere Raritäten aus der Welt ein lustiges Stelldichein gaben, als wären es Storchschnäbel und anderes, schnellwachsendes Kraut. Hermann Paulus war im Brotberuf ein Bauunternehmer, also ein umtriebiger Mensch, der nach langem Hin und Her die Gemeinde überzeugte, vor der Ortskirche einen Alpengarten anzulegen, was dann auch unter vielerlei Mithilfe von Freunden geschah. Durch diesen Alpengarten floss ein Bach, welcher in einen kleinen Teich mündete.
Und dort im flachen Uferbereich wuchsen diese Gauklerblumen, teils im flachen Wasser, aber auch hinauf in den trockenen Bereich. In ihrer Heimat im westlichen Nordamerika wachsen sie ganz ähnlich. Sie sind gemäß ihrer Herkunft vollkommen winterhart, sie überwintern mittels kleiner Knospen, die dann im kommenden Jahr wieder austreiben. Die Blütezeit erstreckt sich über viele Monate bis weit in den Herbst hinein, immer wieder erscheinen neue Blüten an fadendünnen Stängeln aus den flachen Polstern, die kaum höher als 5 cm werden.
Bistorta tenuicaulis – Polster-Knöterich
Bei meiner allerersten Tour nach Dänemark entdeckte ich diesen reizenden Knöterich in einer kleinen Staudengärtnerei. Diesen findest du in guten Staudenbüchern oder im Internet, jedoch hat er kaum Einzug in die Sortimente gehalten. Dabei ist er vollkommen winterhart und beglückt uns schon sehr früh im Jahr mit seinen kleinen, weißen Blütenkerzen. Die Triebe weisen an der Basis knöllchenartige Verdickungen auf. Mit der Zeit bildet er dichte Polster. Nichts Heikles, aber liebenswert und anspruchslos, vorausgesetzt, der Standort ist halbwegs schattig. In manchen Gärten wird dieser Knöterich in Verbindung mit Azaleen und Rhododendron gepflanzt, da hier die saure Bodenreaktion den Ansprüchen entgegenkommt. Dabei muss er nicht unbedingt sauer stehen, aber die Struktur des Bodens sollte zumindest humos sein.
Carduncellus pinnatus – Marokkodistel
Es war lange her, da machte ich mit meiner Familie eine Reise kreuz und quer durch Marokko. Wir nahmen ein Leihauto und fuhren über den Mittleren- und Hohen Atlas, danach bis tief in die Sahara hinein. Wir hatten nicht gerade das beste Auto, aber es fuhr, wir kamen überall hin, wo wir wollten, und was wollten wir mehr? Zwei Platten waren leidliche Zwischenepisoden, die unbeschreibliche Hitze tat das Übrige.
Der höchste Pass war der Tizi N’Tichka, eine Herausforderung, aber bewältigbar. Droben angekommen, musste ich natürlich sofort botanisieren. Neben dichten Polstern aller Art entdeckte ich unter anderem den Atlasschwingel (Festuca mairei), in blankem Schotter wachsend. Etwas weiter weg war eine Quellflur, wo Eryngium variifolium wuchs, gleich daneben entdeckte ich zu meiner Freude einige Rosetten der Marokkodistel (Carduncellus rhaponticoides). Sie kannte ich aus der Literatur, diese ist ganzrandig, im Gegensatz zu Carduncellus pinnatus, deren Blattränder gesägt sind. In gärtnerischer Kultur sind beide eher selten anzutreffen, wenngleich unter Insidern seit langem beliebt.
Im Alpengarten, aber auch in Trögen macht sich die Marokkodistel vortrefflich, zur Blütezeit wundert man sich, wie eine so kleine Blattrosette solch bezaubernd schöne Blüten hervorbringen kann. Wichtig ist ein guter Wasserabzug, der Standort sollte in voller Sonne liegen.
Carex humilis ‚Hexe‘
Gräser werden immer zu meinen Lieblingen zählen! Besonders die Seggen hatten mir es schon immer angetan, wenngleich man spezialisierter Botaniker sein müsste, um hier den Überblick annähernd zu behalten oder zu gewinnen.
Die Gattung Carex umfasst weit über 1.000 Arten, welche im Sumpf, im Wald und am Waldrand wachsen, aber auch in Steppenheiden und im Gebirge. Ohne jetzt Präferenzen für die eine oder andere Art zu hegen, möchte ich dir diese eine Art vorstellen, welche kaum in gärtnerischer Kultur vertreten ist, sehr zu meinem Leidwesen! Denn Carex humilis ist eine attraktive, sehr früh blühende Art, welche du mit typischen Vertretern der Trockenrasengesellschaften vergemeinschaften kannst. Mir ist klar, nicht jeder hat in seinem Garten solche Situationen, doch du kannst diese hübsche, sehr gedrungen wachsende Segge auch in Trögen oder am Rande deines Steingartens pflanzen.
Warum Hexe? Ich erhielt diese Auslese von Dr. Hans Simon, der sie mir wärmstens empfohlen hatte. Hexe wegen dem hexenringartigen Wuchs. Diese Neigung ist dieser Art zwar zu eigen, doch bei ‘Hexe‘ sehr viel ausgeprägter!
Die gelblichen Blüten erscheinen schon sehr bald im März, was diese Art besonders wertvoll macht.
Endlich wurde unsere lang ersehnte Schattenhalle fertiggestellt! Und nun ziehen wir alles an Schattenpflanzen hier zusammen, was wir so kultivieren. Vorher waren die Schattenstauden auf mehrere Orte verteilt. Du wirst sehen, es wird dies eine große Erleichterung für uns alle sein. Man findet Astilbe hinter Carex, Farne in trauter Eintracht neben Schattensteinbrech oder Chinesische Brennnesseln neben Funkien, alles wohlsortiert in nächster Umgebung. Der Aufbau ging rasch vonstatten, die liebe Bürokratie der Baugenehmigung etc. zog sich über längere Zeit hin. Aber jetzt sind wir froh, dass alles vorbei ist!
Ich wünsche dir einen sonnigen Herbst, Regen hatten wir schließlich mehr als genug! Und vielleicht sehen wir uns in wenigen Tagen!
Dein Staudengärtner Sarastro