Newsletter X/2016 (Phloxreise Moskau, sowie Astern- und Chrysanthemen-Neuheiten)

Liebe Pamina, hallo Papageno!

Neuzüchtungen und Altbewährtes – beides bereichert und erfreut uns, aber natürlich auch Neuentdeckungen, welche verschollen waren, die gleichfalls als Neuheiten gelten. Wie ich dir schon oft berichtete, erweist sich manches Hochgepriesene mit den Jahren als Flopp, anderes offenbart sich als Mauerblümchen und entpuppt erst nach einiger Zeit seine inneren Qualitäten, zeigt erst später in deinem Garten, zu was es imstande ist. Auch in der Staudenwelt unterscheiden sich die Marathonläufer von den Sprintern, beides hat bekanntlich seinen Reiz und eine unterschiedliche Optik.

Voriges Jahr bekam ich einen Anruf von einer lieben Bekannten aus der Steiermark, welche seit einiger Zeit einen Phlox in ihrem Garten hegte, etwas ganz Besonderes, dessen Blüten wie gefüllt aussehen sollten. Und ob ich ein Teilstück davon haben möchte. Gefüllt blühender Phlox wäre ein lange gehegtes Zuchtziel, hinter dem schon manche alte Hasen wie die Geier hinterher sind. Nicht, dass es unbedingt eine Schönheit wäre, hier scheint Ehrgeiz und Habgier der Ursprung allen Bestrebens zu sein. Jedenfalls sagte ich sofort zu, ohne im Geringsten zu ahnen, was ich mir da einhandelte. Wenige Wochen später kam sie des Weges und brachte mir ein großes Stück von besagtem Phlox, ja es waren sogar noch Blütenrispen daran. Von Gefüllt blühend konnte allerdings keine Rede sein, aber dies hatte sie mir ja auch nicht versprochen. Die Blüten wirkten auf mich allerdings wie kleine Nelken, sie entstammten irgendwie aus der Biedermeierzeit, sie hatten nichts mit der barocken Fülle der uns gewohnten Phloxsorten gemein. Und nun kam ein Zufall, wie es ihn nur selten gibt! Einen Tag später bekam ich wiederum einen Anruf, dieses Mal aus Kärnten. Wieder ging es um einen Phlox. Die Dame am anderen Ende versprach mir einen eigenartigen Phlox, der wie gefüllt wirkte. Waren nun alle verhext oder herrschten hier etwa telepathische Kräfte vor? Sie schickte mir ein Teilstück, es was mit dem steiermärkischen Phlox-Teilstück ident. Ich pflanzte später beide Exemplare in unser Phloxmuseum aus. Und es stellte sich heraus, dass beide Herkünfte äußerst gesund und wüchsig waren.

Allein, es wusste niemand um den Namen dieses Schmuckstückes, geschweige denn wo dieser entstand oder ursprünglich herstammte. Die Pflanzenfreundin aus der Steiermark nannte ihn ‘Schneeweißchen und Rosenrot‘, ein märchenhafter Name aus dem Vorvorigen Jahrhundert, die Gebrüder Grimm lassen grüßen. Ich aktivierte meine russischen Freunde, die mit nahezu jedem Phlox auf Du sind und viele Sorten fast schon an der Wurzel erkennen. Aber auch sie wussten keinen Rat, nur der Hinweis, dass es anscheinend so etwas einmal gegeben hat und in Russland bei Kennern ins Deutsche übersetzt unter ‘Gewürznelke‘ rangiert, da die Blütenknospen tatsächlich einer Gewürznelke nicht unähnlich waren. Kurz und gut – wir werden diese Schönheit vermehren und in Ehren halten. Ob sie je einen Verkaufsschlager abgibt, bleibt dahingestellt, dies wird sich weisen. Ich postete ein Bild in ein deutsches Gartenforum, aber die Begeisterung hielt sich in Grenzen, die einen fanden ihn unnatürlich, die anderen verspielt, nur wenige konnten mit ihm wirklich etwas anfangen.

Und hier kannst du nun endlich jenen Phlox betrachten. Ich vermute, es ist eine viröse Sorte, deren Eigenschaften jedoch nicht auf andere Sorten übertragbar sind, wie auch manche panaschierte Pflanzen virösen Ursprungs sind.

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Oft sind es die ganz alten Sorten, die dich und mich erfreuen. Hier im Dorf bei einer Bekannten wuchs die alte Sorte ‘Eva Foerster‘, hinter der ich schon länger her bin. Eine sehr markante Sorte, sie hat nichts charmantes, geschweige denn liebliches, sondern zeigt ihre Dominanz, sie tritt selbstbewusst in Erscheinung. Ich lernte Karl Foersters Frau leider nie kennen, um hier jetzt ihr Wesen exakt zu schildern, dies zu charakterisieren stünde mir außerdem in keiner Weise zu! Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass Phlox ‘Eva Foerster‘ zu früheren Jahren vielfach sogar als ‘Württembergia‘ verhökert wurde, vielleicht, weil eine entfernte Ähnlichkeit vorhanden war.

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Im vorletzten Rundbrief versprach ich dir, von meiner letzten Phloxreise zu berichten. Ich fasse mich kurz, denn sonst wird dieser Brief viel zu lang und schließlich interessieren wir uns alle auch noch für andere Pflanzen des Staudenreiches! Und um das diesjährige Phloxthema abzuschließen, komme ich nicht umhin, dir einen kleinen Ausschnitt der Selektionsfeldern Elena Konstantinovas zu zeigen. Es war schlichtweg gigantisch und in jeder Hinsicht traumhaft. Elena hatte alte und neue Sorten, sie weiß sehr wohl um die Vorzüge bewährter, älterer Sorten und versucht, ihre positiven Eigenschaften auf die neueren zu vererben. Neuzüchtungen sind ohne Einbezug älterer Sorten wohl undenkbar. Elena ist derzeit eine der erfolgreichsten derzeit lebenden Phloxzüchterinnen weltweit. Sie allein selektierte seit Mitte der 80er-Jahre über 200 Sorten, ihre neuesten Zuchtziele sind kleinblütige Sorten, sowie hohe Landschaftssorten. Es war ein Wochenende mit tiefgreifenden Erlebnissen, mit Diskussionen rund um Stauden, deren Verwendung und speziell natürlich um Phlox.

Auf unserer gemeinsamen Fahrt im Großraum Moskau besuchten wir auch Jury Reprev, ein ebenfalls sehr bekannter Phloxzüchter und Schüler von Pavel Gaganov, des wohl berühmtesten Phloxzüchters Russlands. Jury und ich verstanden uns auf den ersten Blick, er redete wie ein Wasserfall auf Russisch auf mich ein – ich verstand nur Bahnhof und verstand doch, was er meinte und worum es ging, wie von einer Art Zauber gelenkt. Pflanzenfreunde verstehen sich auf einer ganz anderen Ebene. Auch diese Begegnung in seinem verwunschenen Garten war ein großartiges Erlebnis!

Hier ein Abschlussbild, Elena mit der Sonnenbrille als Vorderste, mit ihren Phloxkoriphäen aus St. Petersburg und natürlich auch von weiter weg! Rechts im Bild neben mir Jury Reprev.

Und hier eines der riesigen Selektionsfelder von Elena. Ich verbrachte einen vollen Tag und den nächsten Morgen, bis ich alles mental und fotografisch verarbeiten konnte! Nach dieser Reise konnte ich nur Danke sagen für alles, was meine dortigen Freunde mir bereitwillig zeigten.

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Der Herbst steht vor der Tür. Und mit ihm auch die Asternblüte. Das Bild unten zeigt eine Sorte, die bei uns entstand. Lange überlegte ich, ob diese Aster überhaupt wert ist, vermehrt und in den Handel gebracht zu werden. Denn sie stellt sich im Topf äußerst unschön dar und entspricht damit so gar nicht der heutigen CC-Karren-„Mentalität“. CC-Karren nennt man auch Dänencontainer, dies sind diese Transportkarren mit verstellbaren Stellagen, deren Rädchen so unmöglich laut klappern, dass man sich die Ohren zuhalten muss. Heutzutage werden Pflanzen gleich welcher Art züchterisch oder chemisch gestaucht auf die Größe einer CC-Karren-Stellage getrimmt, damit jeglicher Platz im LKW optimal ausgenützt wird. Die Pflanzen sind darin eingepfercht, ähnlich wie Schweine, die zum Schlachthof geführt werden.

Meine besagte Aster wird ausgewachsen bis zu 150 cm breit und etwa 70 cm hoch! Ein wahres Monsterding. Sie stellt wahrscheinlich eine Hybride aus Aster pyrenaeus ‘Lutetia‘ und Aster novi-belgii ‘Vasterival‘ dar. Die Blütezeit ist viel später als bei den anderen Astern, sie schmückt sich mit eisblauen, mittelgroßen Blüten. Im Topf ein fürchterlich gakeliges Ding, man muss sie zurückschneiden oder aufbinden, um ihr einen Transport im Paket oder im Lastwagen zu ermöglichen. Ihre inneren Qualitäten zeigt sie jedoch schon nach einigen Jahren an ihrem Standort, den du nach Möglichkeit mit Bedacht auswählen solltest. An einer Mauer, über einer Mauer, an einer Terrasse, auf einer Verkehrsinsel, es gäbe genug Möglichkeiten. Jedenfalls bewies sie ihre Stellung im Staudenreich! Und nun zu ihrem Namen. Manches Mal reicht mir die Fantasie nicht, und so nannte ich sie recht pragmatisch ‘Oktoberkaskade‘.

Hier das Ursprungsexemplar von ‘Oktoberkaskade‘, wie sie eine unserer Mauern fast schon verdeckt.

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Die Zeit der Chrysanthemen ist längst angebrochen, wenn du den kommenden November-Rundbrief von mir zugesandt bekommst. Letzten Herbst war ich wieder einmal bei Eugen Schleipfer in seiner Gärtnerei. Seine Chrysanthemen hatten mir es angetan. Über 30 seiner Sorten nahm ich mit, um diese auszuprobieren. Nicht, dass ich alles kritiklos übernehme, denn es sollten nicht nur die Farben schön sein, sondern auch alle anderen Faktoren stimmen. Eine Chrysanthemen-Sorte von ihm fiel mir letzten Herbst durch ihre gelb gerandeten Blüten sehr angenehm auf. Er benannte sie ‘Granatapfel‘, wohl wegen ihres Farbenspiels. Die Blüten sind nicht sehr groß, aber dafür sind sie farblich sehr außergewöhnlich.

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Und zum Abschluss noch einmal ein Bild von ‘Emperor of China‘, eine meiner ungewöhnlichsten Chrysanthemen.

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Woher sie stammt, weiß wohl niemand mehr so richtig. An meiner ersten Englandfahrt in Jahre 1987 nahm ich sie von Elizabeth Strangman mit, dort fiel sie mir wegen ihrer rot verfärbten Laubblätter auf, damals blühte sie noch kaum, sie gehörte zu den ausgesprochenen Spätblühern. Zuhause dann entfalteten sich Anfang November die zauberhaften, rosa Blüten mit ihren löffelförmigen Blütenblättern. Später erst lernte ich im Sortiment Hagemanns die Foerstersche Sorte ‘Nebelrose‘ kennen. Sie glich voriger sehr, hatte aber viel dichtere Blüten. Ob nun ‘Nebelrose‘ ein Sämling von ‘Emperor of China‘ war oder ob umgekehrt die englische Sorte aus ‘Nebelrose‘ hervorging, ob gar beide direkt aus China stammten und über Frankreich nach England und dann nach Deutschland wanderten, kann heute wohl niemand mehr nachvollziehen. Sei es wie es sei, Herbstchrysanthemen sind eine Aufforderung an den Spätherbst, seine Fülle an Farben zu offenbaren!

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Wenn du uns im Oktober in der Gärtnerei besuchst, wirst du mich bei schönem Wetter wohl im Schaugarten erwischen. Denn hier möchte ich endlich einiges umgestalten. Zuviel ließ ich in letzter Zeit der Natur freien Lauf. Gepflegte Wildnis, Cultivating Chaos, Laissez Faire oder Blackbox Gardening, nenne es, wie du willst, aber Pflanzbeete sollten stets ihren Charakter repräsentieren. Unkraut und Überwuchs entschuldigt nicht, sie sind das Ergebnis von mangelnder Zuwendung. Ich werde dir von der Aktion berichten!

Übrigens, wir verschicken im Herbst immer bis zum Eintritt von Dauerfrost. Spätestens dann solltest du fertig gepflanzt haben. Oktober ist beste Pflanzzeit!

Alles Gute weiterhin wünscht dir,

Dein Staudengärtner Sarastro

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Christian H. Kreß und Mitarbeiter

Viele Grüße/ Best regards/ С уважением

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