Newsletter XI 2013 (Gräser, Gräser und nochmals Gräser!)
Liebe Pamina, hallo Papageno!
Du bist doch sicher ebenfalls meiner Meinung, dass Gräser in unseren Gärten nicht mehr wegzudenken sind. Sie gehören zum Garten wie das Salz zur Suppe, sie versüßen jedoch deinen Garten kolossal. Ohne Gräser wirkt eine Bepflanzung irgendwie halbfertig und unvollständig, ob es sich hierbei um eine naturalistische oder strenge Staudenanordnung handelt. Nun ja, soweit so gut, wir wissen es ja ohnehin, in jedem Buch steht es geschrieben, seit Karl Foersters „Einzug der Gräser und Farne in die Gärten“. Aber auch bei diesem Thema driften die Meinungen und Geschmäcker sehr weit auseinander. Während beispielsweise in Neuseeland und den USA ganze Gräsergärten zu bewundern sind und im Laufe der letzten Jahrzehnte Gräser eine nicht mehr wegzudenkende Rolle eingenommen haben, sind in Mitteleuropa solcherlei Pflanzungen höchstens vor modernen Bürogebäuden zu sehen, sozusagen als letzter architektonischer Schliff. Man versucht weiter, an Gartenschauen den Leuten mit einigen Präriegärten die Gräservielfalt schmackhaft zu machen oder pflanzt immergrüne Seggen mit ein und derselben Sorte äußerst plakativ zu Hunderten unter Bäume. Oder so wie wir, in dem wir Pfeifengräser, Diamantgras, Reitgras und Chinaschilf im Schaugarten zur herbstlichen Dominanz auffahren lassen!
Manches Mal denke ich mir, ob Österreich wirklich ein Land voll von Gräsermuffeln ist, abgesehen von dir natürlich! Hier dominiert zwar glücklicherweise in vielen Gärten inzwischen das Chinaschilf wenigstens in Form eines der sicher blühenden Pagels-Sorten, trotzdem setzt der Österreicher nach wie vor auf sein Lampenputzergras oder behübscht seine Kiesflächen mit dem meist einjährigen Mexikanischen Federgras (Nasella tenuissima). Man versucht sein Glück zum x-ten Male mit dem steifen Pampasgras oder pflanzt das Blutgras in Balkonkisterl oder auf den Friedhof, weil es angeblich sowieso nicht winterhart sei und weil es in seiner Verwendung größtenteils so suggeriert wird. Und in mancherlei Katalogen der österreichischen Baumschulen fand man bis vor kurzem tatsächlich noch immer den Blauschwingel als großflächigen Bodendecker abgebildet! Die 60er-Jahre werden wieder lebendig und lassen grüßen. Wenn ich versuche, meinen Kunden beispielsweise ein Diamantgras oder ein Pfeifengras schmackhaft zu machen, bekomme ich Antworten zu hören, die ich dir hier lieber nicht zum Besten geben will. Woran liegt bloß diese Abneigung? Erst jetzt im Herbst wird es besser, wenn in den Schauanlagen viele der ausgewachsenen Gräser zur Hochform auflaufen und allgemeine Bewunderung erregen. Vorher aber kannst du dir den Mund fusslig reden, ein kahler Topf im Frühjahr überzeugt eben die wenigsten, dafür aber umso mehr in dieser herbstlichen Zeit! Die meisten Gräser wachsen selbst noch im Spätherbst problemlos an, so dass einer Gräserpflanzung nichts mehr im Wege stünde.
Gräser im Garten entlocken manchen Zeitgenossen Begeisterungsstürme, aber auch Assoziationen zu verwilderten Unkrautg‘stettn. Dabei kannst du mir glauben, unsere hiesige, 150 qm große, an eine Prärie erinnernde Fläche bepflanzte ich Ende der 90er-Jahre, als von Präriegärten noch niemand sprach. Inzwischen ist sie ein wogendes Gräsermeer, die Pflege hat sich lediglich auf den Rückschnitt im zeitigen Frühjahr reduziert. Der Begriff „Prärie“ wird übrigens heutzutage auch andernorts sehr breit ausgelegt, denn dann stehen neben „echten“ Präriepflanzen und Gräsern wie Staudensonnenblumen, Indianernesseln und Rutenhirsen (Panicum virgatum) auch Chinaschilf und Pfeifengräser. Man darf also die geografische Bandbreite nicht allein auf Nordamerika fixieren, sondern das Gesamtbild der Pflanzung sollte dem einer Prärie nahekommen. Wobei ich selbst inzwischen lieber wieder schärfere Grenzen ziehe, weil in meinen Augen beispielsweise Hohe Fetthennen nichts mehr mit einer Prärie zu tun haben. Außerdem wird es immer schwieriger, den Unterschied zwischen einer der neuartigen Staudenverwendungsmethoden und einem richtigen („echten“) Präriegarten zu erkennen und zu definieren. Da bedarf es meines Erachtens doch einer klareren Abgrenzung, denn unter der Prärie versteht man eigentlich nur die Great Plains Nordamerikas, trotz vieler anderer Gräsersteppen der Welt. Und von dort kommen unzählige unserer bekanntesten Gartenstauden, bezaubernde Wildformen, aber auch jede Menge züchterisch verbesserte Sorten, mit denen locker auch eine Gartenprärie fabriziert werden kann, sofern wir überhaupt je den Platz dafür in unseren kleiner werdenden Gärten aufbringen können.
Zwei ganz typische Präriegräser möchte ich dir hier trotzdem so ganz nebenbei zum Besten geben. Links das Prärie-Besengras (Schizachyrium scoparium) in seiner graublauen Form. Eine wesentlich höhere Sorte, welche sich im Herbst kupferorange verfärbt, ist Schizachyrium scoparium ‘Cairo‘. Diese siehst du in der Mitte. Egal, für welche Auslese du dich auch immer entscheidest, dieses eindrucksvolle Gras möglichst trocken stehen, erst dann ist es richtig standfest und offenbart seinen straffen, unverwechselbaren Charakter. Und rechts erkennt man vor lauter Gras kaum, um was es sich hier handeln könnte! Es ist das Honiggras (Sporobolus heterolepis), welches zur Hochblüte im Sommer intensiv nach Koriander riecht, keineswegs nach Honig! Diesen Geschmack muss man allerdings mögen. Das Honiggras entwickelt sich erst nach vielen Jahren und präsentiert sich am schönsten, wenn es in lockeren Gruppen steht.
Beim nun folgenden Gras links unten scheiden sich die Geister. Manche empfinden solche Farben als eine Perversion für das Auge, andere sind restlos begeistert, da diese Blaufärbung wie von einer anderen Welt zu kommen scheint und von keiner anderen Pflanze getoppt wird. Ein Ende der Welt beginnt an der Magellan-Straße, am südlichsten Zipfel von Feuerland, von dort kommt Agropyron magellanicum, dieser nicht wuchernde Strandhafer, bei uns übrigens vollkommen winterhart, was ja nicht für alle Pflanzen dieser Gefilde zutrifft. Du solltest dieses Gras trotzdem mit Bedacht verwenden, es schätzt mineralischen Boden, der nicht zu sehr austrocknet. Hier steht es zwischen blau blühenden Bartblumen, flachen Fetthennen und Bartfäden.
Die Schönheit des Diamantgrases (Calamagrostis brachytricha) offenbart sich entweder unter leichtem Raureif oder wenn sich kleinste Regentropfen an den langen Rispen befinden. Dann fühlt man sich in ein Feenreich versetzt, einfach zauberhaft! Eine ganz besondere Form aus Korea bekam ich von einem holländischen Pflanzensammler. Die Rispen sind etwas lockerer und im Herbst von einem unwirklichen Grünspanschimmer überzogen. Noch ist nicht bekannt, ob es sich hierbei um eine eigenständige Art handelt, aber dieses Gras ist etwas ganz Besonderes!
Über Gräser könnte ich dir stundenlang vorschwärmen! Das Japangras (Hakonechloa macra) gehört zu meinen ganz besonderen Favoriten. Bedenke jedoch, dass es hier Sorten gibt, die nur sehr langsam wachsen und zur Entwicklung viele Jahre benötigen. Die rein gelbe ‘All Gold‘ zählt zu jenen Diven. Meine erste Begegnung mit wahren Monsterexemplaren des Japangrases machte ich im Botanischen Garten Linz, den ich dir übrigens zu jeder Jahreszeit nur wärmstens empfehlen kann! Besonders die grüne Form des Japangrases scheint momentan wieder sehr in Mode gekommen zu sein. In Linz stehen Riesenhorste, welche in Jahrzehnten fast zwei Meter im Durchmesser erreicht haben. Auch die beliebten Sorten ‘Aureola‘ und ‘Albolineata‘ können durchaus solche Ausmaße erreichen! Nebst einer ausreichenden Platzwahl im Garten kannst du dieses Wundergras übrigens auch viel sonniger pflanzen, als ihm in der Literatur allgemein zugestanden wird. Im Senkgarten in Bornim steht Hakonechloa macra ‘Aureola‘ in Plattenaussparungen nahezu in voller Sonne. Bei uns bewährt es sich sehr gut in einem Keramiktopf.
Außerdem liebe ich die Pfeifengräser (Molinia). Eberhard und Barbara Fluche in Roßdorf bei Darmstadt brachten mich schon Anfang der 80er-Jahre darauf, wie wichtig diese ornamentalen Gräser für jedem Garten sind und dass es hier die unterschiedlichsten Auslesen gibt, quasi für jede Gartensituation eine andere Sorte. Meine Lieblingssorte will ich dir gerne hier in einem Bild zeigen. Es ist ‘Transparent‘ von Karl Partsch, von den hohen Sorten die mit Abstand wohl eindrucksvollste.
Völlig unmöglich, dir hier die volle Schönheit zu präsentieren! Bei ‘Transparent‘ sind es vor allem die langen, gleichmäßigen, „transparenten“ Rispen und der lang anhaltende Flor, wobei dieses Gras immer wieder neue Rispen hervorbringt, bis der Zauber in einem grandiosen, gelblich-braunroten Herbstfeuer erlischt. Das untenstehende Bild knipste ich übrigens im Winter (!) 2010 im Botanischen Garten Dortmund. Die Regionalgruppe Dortmund der Gesellschaft der Staudenfreunde (GdS) hat sich dort in einzigartiger und vorbildlicher Weise verwirklicht, indem sie ein langgezogenes Staudenbeet konzipierte, welches sich nun schon jahrelang in voller Schönheit den Besuchern präsentiert.
Zum Abschluss zeige ich dir noch zwei Bilder, wo du die ganze Fülle und Pracht der Gräser zumindest erahnen kannst. Links unsere „Prärie“ in der Gärtnerei, rechts der Eingangsbereich des Orter Kindergartens, den wir vor vielen Jahren angelegt haben. Und wenn wir von Dauerhaftigkeit von Stauden reden, dann müssen wir die Gräser ganz einfach in jede Pflanzung mit einbeziehen! Jede dieser beiden Gräserpflanzungen steht nun mit Bravour bereits fast 15 Jahre. Und darum: genieße noch in vollen Zügen die ganze Fülle der diesjährigen, herbstlichen Gräserpracht, es lohnt sich!
Was tut sich in der Gärtnerei? Der Herbstversand läuft immer noch, zumindest bis zum Eintritt von Dauerfrost. Den Sommer über waren wir recht fleißig und haben auch die neue Stellfläche mit Stauden bestückt. Ebenfalls wurden einige Schaubeete neu bepflanzt. Das kleine Alpinum wurde revitalisiert und auch der Recycling-Steingarten im Eingangsbereich präsentiert sich nun wieder einigermaßen proper. Hierüber kannst du auch einige Bilder auf Facebook unter „Sarastro Kreß“ betrachten! Und ich bin schon dabei, während der dunklen Abendstunden unseren Webshop zu aktualisieren, ihn mit noch mehr Bilder auszustaffieren und auch die Pflanzenbeschreibungen zu verbessern, abgesehen von der einen oder anderen Neuheit, welche Einzug in unser Sortiment gehalten hat.
Die Zeit der Vorträge und Seminare bricht an, die Gartentreffs und Gärtnereibesuche werden langsam weniger. Auch bei uns in den Bezirken Ried und Schärding gibt es seit Jahren einen „Gartentreff für Jedermann“! Und falls du zufällig in Wien wohnst und Kontakt zu Gleichgesinnten suchst, dann schließe dich doch dem Verein „Acanthus“ an www.lustgaertner.at . Dieser honorige Zusammenschluss interessierter Gartenliebhaber unter der Leitung der bekannten Gartenbuchautorin Ruth Wegerer trifft sich in lockerer Folge über das ganze Jahr, mit Vorträgen im Winterhalbjahr und Gartenbesuchen und Reisen im Frühling und Sommer. Ich kann mich nur wiederholen, wie schade, dass ich nicht in Wien wohne!
Ich wünsche dir noch einen recht sonnigen Herbst mit vielen mußevollen Stunden!
Dein Staudengärtner Sarastro