Newsletter XI/2016 (Katharinas Bericht von “Plant Delights”)

Liebe Pamina, hallo Papageno!

Heute melde ich mich einmal, Sarastros Tochter aus dem fernen North Carolina. Wie dir Sarastro wahrscheinlich in einem älteren Rundbrief schon einmal erzählt hat, arbeite ich zurzeit bei „Plant Delights“. Vielleicht hast du von Plant Delights oder auch dem Namen Tony Avent schon mal gehört – hier werde ich oft mit folgenden Worten vorgestellt: „That‘s Kata – her dad is the owner of Plant Delights of Europe“. Mehr oder weniger haben sie auch Recht, und ich habe schon des Öfteren den Spieß umgedreht: „I am Kata, I work for Tony Avent – the Sarastro of America“. Auf den ersten Blick erscheint es, als ob die zwei Gärtnereien Geschwister wären – je länger ich jedoch hier im südlichen Bundesstaat arbeite, desto mehr erkenne ich die gravierenden Unterschiede.

„Plant Delights Inc.“ gilt in Fachkreisen als eine der renommiertesten Gärtnereien weltweit. Sie verfügt nicht nur über ein riesiges Sortiment, sondern ist vor allem auch mit ihrer engen Zusammenarbeit mit Juniper Level Gardens, dem zugehörigen und angeschlossenem Botanischen Garten, bekannt geworden. Sie produziert ausschließlich für Endkunden. Die Gärtnerei hat lediglich 8-mal im Jahr geöffnet, während sie sich ansonsten auf den Versand und den Onlinehandel spezialisiert hat. Ziel ist es, mit 10% des Gewinnes den botanischen Garten zu finanzieren, um die dortige Sammlung von rund 25.000 Arten und Sorten eines Tages öffentlich zugängig zu machen. Tony Avent, Besitzer von Plant Delights und Juniper Level Gardens, gilt als großer Pflanzenkenner, Sammler und Züchter und ist international anerkannt.

Nach ewig langem Ausfüllen von allerhand Papierkram (du kannst dir wohl vorstellen, was es für ein Heck –Meck ist, ein Visum für die USA zu bekommen!), hatte ich letzten Dezember endlich mein J1-Austauschvisum in der Tasche und ich begann am 2. Februar mein Praktikum. Wenn man sich North Carolina auf der Karte ansieht, hat man (meiner Meinung nach) eher wenig Vorstellung, wie das Klima dort sein könnte. Ich für meinen Teil war auf jeden Fall sehr überrascht, als ich bei rund 15 Grad und strömenden Regen ankam. Drei Tage später war die Temperatur auf -5 und eisig kaltem Wind gefallen. Wenn ich dir später erzähle, welche Pflanzen wir hier im Garten haben, wirst du dir wohl kaum vorstellen können, dass hier auch 20 Grad unter Null keine Seltenheit sind. Ab April hat es jedoch schon 25 Grad und zwischen den Monaten Juni – September ist schwüle Hitze bei 35 Grad und mehr an der Tagesordnung.

In meinen ersten Wochen wurde ich in allen Abteilungen für ein paar Tage eingeschult, so dass ich einen groben Überblick bekam.

Von der Produktion über Versand, aber auch Pflege und Instandhaltung der Gewächshäuser und Kundenservice standen an. Einige Tage verbrachte ich auch im Februar schon im botanischen Garten. Glaub mir – ich jammere nie wieder über kaltes Wetter und Unkrautjäten in Österreich. Denn im Gegensatz zu „daheim“ sind viele Stauden hier wintergrün, so eben auch das Unkraut, das auch bei oft schneelosen -5 Grad gejätet sein will.

Meine allererste selbst erworbene Staude in meinem Leben war eine grün blühende Lenzrose, die ich am Berliner Staudenmarkt vor rund 5 Jahren gekauft hatte. Sie hat mich damals auch definitiv mit dem „Staudenvirus“ angesteckt. Lenzrosen waren es auch hier bei Plant Delights, die mich in den kalten ersten 2 Monaten am meisten fasziniert haben. Tony Avent züchtet seit einigen Jahren und fokussiert sich dabei vor allem auf Blütenfarbe, Blütenform und die Anzahl der Blüten. Sein neustes Züchtungsziel ist, die Blüte an sich nach oben hin zu züchten, so dass man nicht mehr „unters Röckchen“ sehen muss, um zu erkunden ob es sich um eine einfache oder gefüllte Form handelt. Hier siehst du einige Schnappschüsse, die ich letzten März gemacht habe. Leider habe ich nicht von allen die Namen notiert, außerdem sind einige noch in Sichtung und noch gar nicht benannt.

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Mitte März war es mir durch einen Personalwechsel möglich, für eine Zeitlang den Job des Inventory- und später dann auch des Purchasing – Managers zu übernehmen. Das war eine tolle Erfahrung. Ich bekam lehrreiche Einblicke in der Handhabung von Bestandsaufnahmen, knüpfte aber auch interessante Kontakte mit anderen Gärtnereien. Aber unter uns – so ein reiner Bürojob ist doch wahrlich nichts für mich, ich muss unter die Leute und raus 🙂

Nachdem ich den „Neuen“ antrainiert habe, war es für mich Zeit wieder in meine Praktikantinnenrolle zu schlüpfen. Pustekuchen! Am nächsten Tag wurde ich ins Büro zitiert und erfuhr, dass sowohl unsere Versands-, als auch die Kundenservicemanagerin gekündigt hatten. Nachdem ich wohl einen plausiblen Eindruck gemacht hatte, fragten sie mich, ob ich nicht auch in diesen Bereichen Erfahrungen sammeln möchte. So hieß es, ab sofort 20 nette Damen unter Kontrolle zu halten. Plant Delights versendet in der Hochsaisson rund 120 Pakete am Tag. Wie du dir natürlich vorstellen kannst, sind die Pflanzenschutzbestimmungen nicht nur von Land zu Land verschieden, sondern in den USA selbst zwischen einzelnen Staaten.

Die Verpackungsmethode von Plant Delights ist ziemlich neu, aber meiner Meinung nach sehr effektiv. Hier kannst du ein paar Fotos sehen, wie wir hier die Stauden mit Liebe für unsere nationalen Kunden verpacken.

Für unsere internationalen Kunden wird jede Pflanze bis aufs letzte Sandkörnchen gewaschen und in Moos und Zeitungspapier eingewickelt. Manche Pflanzen benötigen hierzu eine halbe Ewigkeit, während andere im Nu gewaschen sind. Rate doch mal: Welche der folgenden Pflanzen würdest du als besonders zeitaufwendig, bzw. schnell einschätzen? Agave, Athyrium, Baptisia, Helleborus, Epimedium?

Hättest du erraten, dass ich eine Agave im Nu gewaschen habe – solange ich natürlich nicht ständig Stachel aus meinen Fingern ziehen muss J Farne dauern hingegen fast ewig, die verstrickten Wurzel machen einem das Waschen ganz schön schwer. Aber es ist natürlich oberstes Ziel, alle Pflanzen bei der ersten Inspektion durchzubekommen, um sie so schnell wie möglich nach Europa, Japan oder Malaysia zu schicken.

Nachdem wir auch für diese Jobs neue Leute gefunden haben, begann ich als „Grower“ zu arbeiten. Mit meinen zwei entzückenden mexikanischen Ladies durften wir nun rund 30 Gewächshäuser in Schuss halten. Nicht nur lernte ich hier eine Unmenge über die amerikanische Versessenheit des „Pestmanagements“, sprich Pflanzenschutz, sondern auch über ihre zum Teil doch sehr großen Wissenslücken über Vermehrung und Kultivierung von Stauden. So findet man bestimmt kaum eine Laus an den Stauden, dafür Unmengen an Spritz- und Düngemittel. Ich denke, man sollte definitiv einen guten Mittelweg finden, obwohl ich mich mit all diesen Spritzmittel definitiv nicht sonderlich anfreunden kann. Nichts desto trotz lernte ich eine Menge über Nematoden, Mehltau, Läuse und allerlei andere Viruserkrankungen.

Und derzeit? Gerade arbeite ich im botanischen Garten! Welch eine Umstellung!!! Während man bei uns das Wort „lebendige Bodendecke“, wie sie von Karl Foerster und anderen seit den 60ern beschrieben wurde, bereits in die Wiege gelegt bekommt, heißt es in Amerika erstmal „mulchen, mulchen, mulchen“! Ganz klar musste ich mich aber auch erstmal daran gewöhnen, in einem botansichen Garten zu arbeiten, wo das Hauptaugenmerk erstmal an der Botanik selbst liegt. Jede einzelne Staude, jeder Strauch und jeder Baum hat ein weißes Schildchen, ist in der Datenbank vermerkt, inklusiv der Herkunft, eventuellen Krankheitsproblemen in der Vergangenheit, sowie botanischer Beschreibung. Tony berichtet gerne mit einem Schmunzeln im Gesicht, dass wir uns einerseits zu den Gärten mit größter Kollektion in Amerika zählen (25.000 ist doch eine beträchtliche Zahl für gerade mal 19 Jahre Existenz), wir aber auch einer jener Gärten sind, die am meisten „umgebracht haben“ – nämlich 30.000!

Die zwei älteren Gärten, welche vor rund 20 Jahren angelegt wurden, bieten neben außergewöhnliche Schattenstauden, auch seltenste Bäume und Sträucher. Tonys Ziel ist es nicht nur eine der größten Kollektionen weltweit zu schaffen, sondern den Besuchern zu zeigen, welche Stauden im heißen North Carolina gedeihen können. Das mitteleuropäische Auge findet so manche Staudenkombinationen sicher etwas ungewohnt; findet man beispielsweise Helleboren neben Sabal minor oder Hostas kombiniert mit Colocasias. Der neuste, nur 7 Jahre alte Garten bietet eine unglaubliche Sammlung an sonnenliebenden Pflanzen. Neben einer riesigen Sammlung von Musa, Canna oder Hedychium, findet man auch die neusten Selektionen an Agaven, sowie X Mangave – einer Kreuzung zwischen Manfreda und Agave. All dies wurde von Tony in ästhetischem Stil mit Baptisia, Salvia und einer Vielzahl an Gräsern und weiteren Stauden kombiniert. Und glaub mir, bei dieser riesigen Vielfalt finde ich täglich neue, mir total unbekannte Gattungen und Sorten. Bisher lag mein Interesse rein an Stauden, jeden Tag erkenne ich jedoch mehr und mehr, wie wichtig und großartig die Welt der Bäume und Sträucher ist. Eines hab ich definitiv bereits verstanden:

Ein Garten ohne Gehölze ist nur ein halber Garten, denn sie bilden sozusagen das Grundgerüst eines jeden toll angelegten Staudengartens.

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In meinen weiteren Monaten werde ich bestimmt noch viel dazu lernen, denn wie selbst Karl Foerster festgestellt hat, braucht es mehr als nur ein Leben, um die volle Vielfältigkeit auch nur ansatzweise zu erfassen. Ich hoffe, dass ich so viel wie möglich mitnehmen werde, um darauf aufbauen zu können.

Ich wünsche dir einen schönen Herbst, und vielleicht in einigen Gegenden schon einen langsamen Winterbeginn! Du kannst mich natürlich auch gerne selbst kontaktieren, falls du weitere Fragen hast! Ich hoffe ich konnte dir einen kleinen Einblick in eine der tollsten Gärtnereien und Gärten der USA geben und du hast auch diesen „außertourlichen“ Brief der Neuen Welt genossen.

Alles Liebe and “Take care”!

Kata
kata.kress@gmail.com


PS. Nun noch ganz kurz von Sarastro, sozusagen von zuhause!

Ich wollte dir nur mitteilen, dass ich Mitte November wieder unterwegs auf Vortragsreise in Norddeutschland bin. Würde mich sehr freuen, wenn wir uns an einem der Vorträge sehen! Ich bin an folgenden Terminen bei den dortigen GDS-Regionalgruppen (Gesellschaft der Staudenfreunde):

19. November um 15 Uhr in Hannover/Celle („Bilder einer Ausstellung – Die russischen Phloxsorten)

20. November um 10 Uhr in Hamburg (Russische Phloxe, wie vorher)

ebenfalls am 20. November um 15 Uhr in Stader Geest über meine letztjährige, botanische Exkursion in den „Iran, das kulturelle und botanische Wunderland“.

Alles Liebe, Viele Grüße/ Best regards/ С уважением
Dein Sarastro
Christian H. Kreß und Mitarbeiter

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