Newsletter II/2015 (Seltene Frühlingsblüher)

Liebe Pamina, hallo Papageno!

Der Winter zeigt sich zumindest hier bei uns eher in milden Prisen von Schnee und eher seichten Kälte-Anflügen, er weicht immer wieder einsetzendem Regen. Wir alle hoffen und bangen, dass das dicke Ende in Form von polarer Eisluft ohne Schnee nicht doch noch kommt. Mit Schrecken erinnern wir uns an jene Wochen Ende Februar 2012, wo mancherorts sogar Tulpen im gewachsenen Boden vor dem Frost kapitulierten, weil sie schon auf Frühling eingestellt waren.

Zum Glück blühen hier erst die ganz frühen Galanthus-elwesii-Abkömmlinge, und das Vorfrühlings-Adonisröschen zeigt sehr vorwitzig seine gelben Knospen. Bei einer Gartenfreundin entdeckte ich gestern schon das Blau einiger Leberblümchen. Und ein Bekannter von der Bergstraße erzählte mir, dass bei ihm schon die ersten Krokusse am Verblühen sind. Die Vegetation ist also mindestens um 3-5 Wochen zu früh. Aber lamentieren wir nicht lange, wir müssen abwarten, was uns noch alles blüht!

Ich freue mich trotzdem schon wieder sehr auf den Frühling. Zuvor aber sind bei uns noch vorbereitende Arbeiten angesagt. Momentan säen wir Kaltkeimer aus, die wir aus allen Himmelsrichtungen bekommen. Dir ist ja bekannt und ich hatte dir schon mehrfach geschrieben, dass die meisten Arten und Sorten unseres Sortimentes durch vegetative Vermehrung vermehrt werden, also durch Teilung, Stecklinge, Wurzelschnitt und dergleichen mehr. Trotzdem wird eine immer größer werdende Anzahl an Stauden auch durch Aussaat vermehrt. Dies sind vor allem züchterisch nicht veränderte Wildarten, die man nicht an jeder „Tankstelle“ bekommt, sondern zwischen Kasachstan und Neuseeland suchen muss. Wir erhalten diese von Liebhabern über den internationalen Samenaustausch und Ein-Mann-Betrieben, die sich ausschließlich mit Seltenheiten beschäftigen. Nach erfolgter Keimung werden die meisten dieser zarten Geschöpfe pikiert, also in kleine Multitopfballen vereinzelt. Hierin wachsen sie zu kräftigen Exemplaren heran, die wir dann im Laufe des Sommers in ihren Endtopf verarbeiten.

Zwei typische Vorfrühlingsblüher, auf die wir uns immer wieder von Neuem erfreuen, siehst du gleich hier unten auf den Bildern. Links ein kräftiger Horst einer Schaftdolde (Hacquetia epipactis), eine langlebige Staude aus den Wäldern Sloweniens und Kroatiens. Einmal in frischen Humusboden im Halbschatten gepflanzt erfreut sie dich jahrzehntelang! Rechts ein Auszug unseres Scharbockskraut-Sortimentes. Nie werde ich vergessen, wie ich mir zu Beginn meiner Selbständigkeit diese damals brandneuen Sorten direkt vom Züchter aus England schicken ließ und diese dann vermehrte. Jetzt wirst du denken, Scharbockskräuter zu vermehren ist doch kinderleicht! Ist es auch, aber diese Sorten haben nichts mit jenem gefürchteten Unkraut unserer Gärten und Parks zu tun, denn sie wachsen ausschließlich horstig und bilden nicht jene kleinen Bulbillen, wo bald der ganze Garten voll davon ist. Sorten wie ‘Brambling‘, ‘Colarette‘, ‘Coppernob‘ oder ‘Wisley Double‘ können ausschließlich durch Knollenteilung vermehrt werden. Bis man dann kräftige Verkaufspflanzen erhält, bedarf es einer weiteren Saison. Das Sortiment ist breiter als man denkt, wobei man durchaus nicht alle braucht, da manche sich sehr ähneln. Wir vermehren für dich ein repräsentatives Sortiment, darunter einige Seltenheiten, wie das riesige Ranunculus ficaria ‘Grandiflora‘, was schon eher einer Sumpfdotterblume ähnelt. Reizend und ungewöhnlich auch die orange ‘Aurantiacus‘!

Und so hörte ich etliche Jahre lang immer wieder dieselbe Aussage vieler Kunden, nein, das hole ich mir sicher nicht in den Garten, mit dem immer gleichen vorwurfsvollen Unterton, wie kann man nur so etwas anpreisen? Nach dieser herben Enttäuschung wollte ich mich schon von ihnen endgültig verabschieden. Doch dann kam mein Webshop und als zweites die Kunden aus Skandinavien und einiger osteuropäischer Länder, die Gefallen daran fanden. Sie pflanzten sie zwischen Buschwindröschen und anderen Frühlingsblühern. Du wirst sehen, sie werden von Jahr zu Jahr schöner, die dichten Horste mit dem Farbenspiel ihrer metallisch glänzenden Blätter immer prächtiger. Und seit ich sie nicht mehr umständlich Englische Scharbockskräuter nenne, sondern nur noch als Zwergranunkeln bezeichne, werden sie gekauft und ihrer weiteren Verbreitung steht nichts mehr im Wege. Mein Frust hat sich also in der Zwischenzeit wieder gelegt, denn ihre Blüten sind so entzückend, ich möchte sie niemals mehr missen. ‘Colarette‘ schließt seine Blüten auch bei trübem Wetter nicht und der Austrieb von ‘Brazen Hussy‘ gleicht dem schwarzen Lack deines Autos.

Heute will ich dir zudem zwei nette und doch nicht allzu häufig kultivierte Zwiebelstauden vorstellen, die du unbedingt einmal ausprobieren solltest. Leider hat davon nur Fritillaria camtschatkensis einen wenn auch unglücklichen deutschen Namen, denn bei ihr von Schachbrettblume zu sprechen, finde ich nicht ganz zutreffend. Na ja, die ganze Gattung heißt eben so. Interessant ist, dass es innerhalb dieser Art nicht nur Formen mit den begehrten purpurschwarzen Blüten gibt, sondern auch grüne oder leicht gestreifte oder gesprenkelte Individuen. Sie besitzen zudem die Neigung, sich während ihrer Blütezeit umzufärben. Eine sehr geheimnisvolle Staude aus dem Fernen Osten, die nicht nur anspruchslos ist, sondern auch überall gedeiht, wenn der Boden nur nicht allzu sehr austrocknet. Gegen die Lilienhähnchen hilft nur penibles Absammeln, denn sonst fressen diese orangen Käfer dir schnell die Blätter an, wie du auf dem Bild unschwer erkennen kannst.

Albucca shawii besitzt keinen klassischen, deutschen Namen. Im Internet findet man sie auch unter Stiftblume oder Laternenblume. Sie stammt aus Lesotho und hat sich doch als überraschend hart erwiesen. Für sie solltest du trotzdem einen eher im Frühjahr frischen, lehmig-sandigen Boden auswählen, der im Sommer ruhig trocken sein darf, genau dort fühlt sie sich wohl. Irgendwie erinnern mich ihre grünlichgelben Einzelblüten an Elfenblumen. Sie wird ungefähr 50 cm hoch. Pass auf, dass du den Grasbüschel im Frühjahr nicht versehentlich ausreißt! Ich finde, dass sie nicht nur in Gesellschaft anderer Südafrikaner gut aussieht, sondern du kannst sie nach deinem Geschmack mit anderen Stauden vergemeinschaften, Hauptsache, die Bodenstruktur stimmt.

Auf meiner damaligen, zweiten Spanienreise im katalonischen Pyrenäenteil sah ich an südlich geneigten Felspartien Antirrhinum hispanicum. Damals nahm ich einige Stecklinge mit, denn sie wachsen sehr leicht an. Jedes Jahr auf’s Neue ist es unglaublich, wie viele Blüten ein so kleines Sträuchlein hervorbringt. Eine Nische in einer Trockenmauer genügt diesem Löwenmaul vollkommen. Ganz anders verhält es sich hingegen mit der einzig wirklich winterharten Gazania linearis aus Südafrika. Hier ist der beste Standort ebenfalls ein Platz in der Sonne, aber nicht in einer Felsspalte, sondern in Kiesflächen, wo sie sich sogar aussät! Eigenartigerweise sind diejenigen Formen am ausdauerndsten, welche kleinere Blüten besitzen, die keinen dunklen Ring aufweisen. Ich muss sie mit der Zeit sortieren und herausselektieren.

Unser Chrysanthemen-Sortiment überwintern wir in einem unbeheizten Gewächshaus. Sie werden nicht zurückgeschnitten und so blühen manche Sorten weit über Weihnachten hinaus. Eine Frühjahrspflanzaktion ist noch sinnvoller als im Herbst, da nur Töpfe verkauft werden, welche genügend starke Basistriebe gebildet haben. Und nur so kannst du dich auf eine reiche Blüte freuen. Übrigens war ich noch im Dezember bei Eugen Schleipfer und habe einige seiner neuesten Chrysanthemen-Selektionen erworben. Wir sehen sie uns erst einmal an und entscheiden dann, welche wir endgültig für unser Sortiment übernehmen. Die Blütenfarbe und – form ist bekanntlich Geschmacksache, aber ich bin mir sicher, dass sich Eugen bei seinen Selektionen wesentlich mehr gedacht hat! Er ist bekanntlich einer der ganz wenigen Vollblutgärtner, der seine Pflanzen und deren Bedürfnisse kennt, aber auch beurteilt, was am Puls der Zeit ist.

Vor einiger Zeit bekam ich von einer Kundin aus Hamburg eine Anemone, die sie wiederum von einem Bekannten erhielt, der diese in den Bergwäldern in Szechuan/China sammelte. Ich habe mich bemüht, diese Wildart in der Flora von China nachzubestimmen, was mir aber leider nicht ganz glückte. So läuft sie bei uns unter dem Namen Anemone spec. aff. cathayana, was so viel heißt, dass diese Art der Anemone cathayana am ähnlichsten kommt. Vielleicht hast du eine Ahnung, was dies sein könnte? Jedenfalls blüht sie nicht nur im Frühling, sondern auch im Herbst, was mich sehr verwunderte. Für eine Waldanemone erscheint dies doch eher ungewöhnlich, oder? Überhaupt sieht sie unserem Buschwindröschen nicht unähnlich, ist jedoch in allen Teilen wesentlich größer und erreicht im Schatten bis zu 40 cm Gesamthöhe.

Und was kann man an einem Februartag im Garten tun, wenn dir die Bude schon auf den Kopf fällt? Du kannst beispielsweise Rasenkanten abstechen und natürlich auch schon deine Gräser zurückschneiden. Fang am besten mit den Miscanthus an. Wenn dir diese Arbeit zu anstrengend ist und sich vom vielen Schneiden mit der Schere eine Sehnenscheidenentzündung anbahnt, dann warte einen trockenen Tag ab und drücke ganz einfach die Gräserhorste um, dass die Halme an der Basis zerbersten. So tust du dir wesentlich leichter. Dies gelingt natürlich nur bei den hohen und mittelhohen Sorten. Molinia, Panicum und Co. kannst du im ausgehenden Winter zusammenraffen und anschließend verkompostieren. Und wenn du glücklicher Besitzer einer Häckselmaschine bist, dann lasse deinem Tatendrang freien Lauf. Aber dies ist nicht nur Männerarbeit! Und noch was: verschone deine immergrüne Waldgräser, denn sie benötigen keinen Rückschnitt. Auch bei deinen Lenzrosen (Helleborus) kannst du das alte Blattwerk abschneiden. Mach dies bald genug, denn die Blütenstiele sind dir sonst im Weg.

Und so sah unsere Gärtnerei aus, als ich dir diese Zeilen schrieb.

Und so sah unsere Gärtnerei aus, als ich dir diese Zeilen schrieb.

In der kommenden Woche bin ich auf einer regelrechten Vortragstournee in Aachen, Düsseldorf, Dortmund und im Rheinland, sowie später auch an einigen Orten in Österreich. Darum bekommst du diesen Rundbrief schon ein wenig früher, vielleicht sehen wir uns irgendwo? Die Termine und Lokalitäten findest du im Magazin „Der Staudengarten“ der Gesellschaft der Staudenfreunde ( GDS ), sowie auf unserer Website. Du wirst es kaum glauben, aber nahezu alle Gruppen haben sich den Vortrag „Bilder einer Ausstellung- Phloxzüchtung in Russland“ gewünscht! Dieses Thema brennt anscheinend nicht nur dir unter den Nägeln. Der Vortrag kommt bei den Leuten recht gut an, was ich zunächst gar nicht glaubte, denn Phlox ist ja bekanntlich eine Bauerngartenstaude, die dem momentanen Zeitgeist eigentlich nicht wirklich entspricht. Aber viele der neuen und alten russischen Sorten vereinen Robustheit mit zauberhaften Farbsymphonien und haben sich über Jahre hinweg in kontinentalem Klima bewährt.

Gelegentlich fragen uns die Kunden, wie wohl der Trend der Staudenverwendung in den kommenden Jahrzehnten aussehen wird. Keiner von uns kann diesbezüglich Hellsehen und für Überraschungen wird gesorgt sein. Aber ich darf dir vielleicht meine Meinung kundtun. Es wäre schön, wenn sich die Gartenmode ähnlich der Frisuren- und Klamottenmode so ganz nach dem Motto „Es darf alles, was gefällt“ entwickeln würde und nicht jeder irgendwelchen momentanen Trends hinterherrennt. Farben werden wohl auch in Zukunft vorgegeben und sind einem schnellen Wandel unterworfen. Das Thema Garten und Pflanzen als Freizeitbeschäftigung hält ungebrochen an und erfreut sich allgemeiner Beliebtheit. Und da wäre es doch jammerschade, wenn unsere Vorgärten so nach und nach zu einfallslosen, pflanzenverarmten Kiesflächen verkommen würden, wo einzelne bis zur Unkenntlichkeit verstümmelte Krüppelkiefern mit dem hehren Namen „Freilandbonsai“ das wenige Grün darstellen. Und für eine ausgewachsene Prärie haben die allerwenigsten Gartenbesitzer den Platz.

Also sollte nach Möglichkeit jedermann in der Form gärtnern, wie es ihm gefällt. Mit Pflanzen spielerisch umgehen lernen. Das heißt nun nicht, das alles in ein kitschiges Kunterbunt ausartet und kein Mensch mehr sich an irgendwelche Grundregeln halten muss. Denn dass eine Astilbe nichts für den sonnigen Steingarten ist, weiß inzwischen nahezu jedermann. Du ziehst ja auch keine Gummistiefel ins Konzerthaus an, oder? So sollten durchaus auch die richtigen Pflanzen für den richtigen Ort ausgewählt werden. Und dabei möchten wir dir gerne helfen, wenn du dich nicht traust. Ansonsten kannst du dich in Büchern oder gerne auch in unserem Webshop schlau machen.

So, nun wünsche ich dir viel winterliche Vorfreude!

Dein Staudengärtner Sarastro

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Christian H. Kreß, sowie von meinen Mitarbeitern von Sarastro-Stauden
Sebastian Ehrl, Angela Doblhammer, Gerlinde Siegetsleitner, Anna Eitzlmayr und Margit Gebhartl

Viele Grüße/ Best regards/ С уважением

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