Newsletter VI/2021 (Staudenclematis, Camassia)

Liebe Pamina, hallo Papageno!

Langsam normalisiert sich das Leben wieder. Für jeden war es eine außergewöhnliche Zeit, in welcher Form und wie auch immer und für jeden anders. Wir jedenfalls waren mit Arbeit eingedeckt und konnten in unserem erfüllenden Beruf regelrecht aufgehen, wenngleich die Rahmenbedingungen um uns herum etwas anders aussahen und der Stress gleichmäßig stark war, für jeden von uns.

Durch unser derzeit immer noch anhaltend massives Versandaufkommen kam mein neues Buch etwas ins Hintertreffen. Ich hatte dir ja erzählt, dass im letzten Coronawinter leider alle Seminare und Vorträge abgeblasen wurden und ich auf diese Weise die Zeit nutzte, um einen langgehegten Wunsch zu realisieren, nämlich die wichtigsten Rundbriefe an dich in ein Buch zu formen. Der Text der einzelnen Kapitel wurde ein klein wenig angepasst, das Bildmaterial optimiert und durch neue ergänzt, vor allem aber der Inhalt des Buches möglichst abwechslungsreich gehalten, sowie durch zusätzliche Tipps ergänzt. Das Buch befindet sich bereits in den letzten Zügen seiner Produktion. Ich freue mich riesig darauf, es dir in kurzer Zeit anbieten zu können, alles Weitere erfährst du rechtzeitig. Übrigens, jedes Mal nach Erscheinen eines neuen Rundbriefes melden sich einige Leser ab, aber viele neue Adressen kommen dazu. Und ich darf dir mit Freude mitteilen, dass vor einiger Zeit die 7.000er-Marke überschritten wurde! Das bestärkt mich kolossal, in diesem Sinne so weiterzumachen.

Derzeit überrascht uns dieses sehr atlantisch geprägte Klima mit täglichen Güssen von oben, es herrscht regelrechtes Wachswetter vor, dazwischen wenige Sonnenstunden, die gleich schwül erscheinen, dann wieder Dauerregen mit eher verschnupften Temperaturen. Und darum präsentieren sich manche Stauden auch für längere Zeit in ihrer vollen Schönheit. Ich denke hier vor allem an die Prärielilien (Camassia), welche auch bei unseren Kunden und Gästen großen Anklang finden. Du hast richtig gelesen: Gäste! Wir sollten endlich Staudengärtnereien als eine Art Feinkostläden und die Kunden als Gäste im Freiland-Pflanzenrestaurant bezeichnen, um somit den Kunden und vor allem auch Gärtnern den Platz einzuräumen, der uns allen gebührt. Leider treffe ich immer wieder auf Kollegen, die sich mit regelrechten Minderwertigkeitskomplexen unter ihren Scheffel stellen. Der Gartenbau ganz allgemein sollte endlich eine längst überfällig gewordene, gesellschaftliche Aufwertung erfahren und in Augenhöhe irgendwo zwischen gediegenem Handwerk und Kunst angesiedelt werden. Den Beweis dafür liefert uns gerade jetzt diese unselige Coronazeit. Wie sehr wurden Pflanzen, Natur und Garten mit einem Male für unser soziales Gefüge so bitter notwendig! Aber jammern unter Kollegen gehört offenbar zum Handwerk, das Betteln von Funktionären um Anerkennung bei Politikern, bringt uns dies weiter? Und das Schimpfen auf Branchenfremde kann durchaus einen wahren Kern besitzen, ändert aber nichts. Seit wann stellt denn ein Baumarkt mit lauter kurzlebiger Handelsware eine Konkurrenz für alle regional produzierenden Gärtner dar? Richtig, die branchenfremden nehmen zwar Marktanteile weg, aber sie sind weder der billige Jakob, noch haben sie etwas zu verschenken und mit der Auswahl und der Beratung eines Fachbetriebes oder gar eines Staudengärtners oder einer gut sortierten Baumschule können jene schon gar nicht mithalten.

Als leuchtendes Beispiel sehe ich stets meinen Pflanzenfreund Ewald Hügin vor mir, wenn dieses leidige Thema wieder hochkommt. Er führt seine so herrlich altmodische, technikfeindliche Staudengärtnerei, in der man sich in die 70er-Jahre versetzt fühlt, mitten in Freiburg im Breisgau. Keine 500 m weiter befindet sich der erste Baumarkt, die andere Straße hinauf gleich zwei weitere, plus einem Gartencenter, wahrlich an Konkurrenz nicht zu überbieten. Und trotzdem hat er kein schlechtes Auskommen, weil er ständig auf der Suche nach Neuem und Ungewöhnlichem ist, was Pflanzen anbelangt. Sicher, die Stauden sind Nischenprodukte, aber ein ausgefeiltes Sortiment aufrecht zu halten erfordert nicht nur großes Fachwissen und eine Menge an Erfahrung, sondern vor allem auch Durchhaltevermögen. Übrigens könnte ich dir noch weitere Beispiele nennen, aber…

… ich schweife schon wieder ab! Die Prärielilien wachsen auch in deinem Garten zu ungeahnten Prachtexemplaren heran, sofern du ihnen einen guten Boden möglichst in voller Sonne verpasst. Besonders begehrt ist momentan die tiefblaue, früh erblühende Camassia leichtlinii ‘Coerulea‘, die bei uns an mehreren Stellen in den Beeten steht und welche oben im Bild zu sehen ist. Wir haben außer ihr auch noch eine hellblaue, eine weiße, eine weiß gefüllte, sowie eine panaschierte Form anzubieten. Du kannst die Horste im Sommer oder Herbst ausgraben, aufnehmen und auseinanderteilen, falls sie dir zu groß werden. Prärielilien sind neben einigen Lauchsorten übrigens eine der wenigen höheren Blütenstauden, welche in einem Prärie- oder Steppengarten schon ab Ende April erblühen, genau dieser Aspekt macht sie so wertvoll.

Um diese Zeit ist es sehr wichtig, die Beete unkrautfrei zu bekommen. Unser Bienen- und Insektengarten mitten in Ort sieht leider momentan nicht sehr attraktiv aus, es fehlen die pflegenden Hände. Aber ich darf dir auch mitteilen, dass ab diesem Jahr alle hohen Stauden im Hauptteil des Beetes schon so dicht wachsen, dass das Unkraut kaum mehr eine Chance hat, sich zu behaupten, sondern in Kürze unter den aufstrebenden Horsten der Stauden regelrecht verschwindet.

Wusstest du eigentlich, dass es auch staudig wachsende Clematis gibt, die jedes Jahr aus ihrer Basis austreiben und blühen, um im Herbst wieder einzuziehen? Oder solche, welche mit langen Ranken kleinere Flächen bedecken oder sich in nahe Gehölze strecken? Besonders jene Sorten rund um Clematis heracleifolia und C. x tubulosa wären für dein Staudenbeet hervorragend geeignet. Sie benötigen einige Zeit, um zu ihrer vollen Form und Größe aufzulaufen, aber dann hast du sie über lange Jahre. In meinem Garten steht Clematis x tubulosa ‘Gentianoides‘, ein alter Cultivar unbekannten Ursprungs, den ich vor mindestens 10 Jahren von einem Dresdner Staudengärtner als Mitbringsel bekam. Damals legte ich ein Beet vor einem Spitzahorn an, einige Buxus sempervirens- Sorten kamen ebenfalls dazu, die Zwischenräume wurden mit Storchschnäbeln und Helleboren ausgefüllt. Unter einem Ahorn wächst bekanntlich nur sehr wenig, er zählt ja zu den extremen, flach wurzelnden Gehölzen. Weil meine Staudenwelt unter dem Ahorn mit der Zeit gewaltig litt und ich es nicht ausschließlich bei Geranium belassen wollte, musste schließlich der Ahorn weichen. Mir ist ja um jedes größere Gehölz leid, aber als unser Haus erbaut wurde, pflanzten die Gärtner ohne nachzudenken etliche hohe Waldbäume, die bei einer durchschnittlichen Gartengröße von 1.200 qm absolut nichts verloren hatten. Zehn Birken mussten gleich einmal daran glauben und in weiterer Folge eben dieser eine, inzwischen hohe Ahorn. Gleich daneben befindet sich ein Bergahorn, etwas weiter weg eine große Blutbuche, die beiden ließ ich selbstverständlich stehen. Jedenfalls steht bis heute meine Staudenclematis und erfreut mich mit ihren spätsommerlichen, tief enzianblauen Blütenrispen. Noch drei weitere nahmen wir im Laufe der Zeit in die Vermehrung, die niederste und dunkelste ist ‘China Blue‘, welche zu dichten Beständen wächst. Von Bekannten aus Darmstadt nahm ich ‘Cote d’Azur‘ mit, welche azurblaue Blütenrispen besitzt, sie wird allerdings höher. Und dann wäre noch ‘Cassandra‘ zu nennen, die ebenfalls tiefblaue Blüten in dichten Trauben aufweist, sie ist übrigens die einzige, welche intensiv duftet. Diese wundervolle Sorte wurde von Thomas Kustermann entdeckt, selektiert und vermehrt, damals war er noch Stauden-Gärtnermeister bei der Gräfin von Zeppelin.

In einigen unserer Schaubeete dominiert seit Jahren die staudige Clematis x tubulosa ‘China Blue‘, wie du hier siehst:

Namen und Geschichten rund um Stauden gehören immer untrennbar zusammen, das ist das Schöne an unserem Beruf! Beispielsweise ist Jürgen Knickmann nicht nur Clematisliebhaber, sondern auch Fachlehrer für Stauden und Freilandzierpflanzen an der HBLVA Schönbrunn, er übernahm damals die fachliche Betreuung des einzigen Staudensichtungsgartens Österreichs in Wilfleinsdorf im Burgenland, als er die Stelle in Wien antrat. Seit der Gründung des Sichtungsgartens hatte ich das Vergnügen, den dortigen Gärtnern fachlich unter die Arme zu greifen, was mir aber immer sehr viel Spaß machte. Jürgen sammelte alles an staudigen Clematis zusammen, was er durch seine internationalen Verbindungen auftreiben konnte und nahm sich einen Sichtungsvergleich vor. Ich war überrascht, wie diese Staudenclematis im Gehölzrandbereich vor Üppigkeit strotzten und den trockenen, pannonischen Sommer locker wegsteckten.

Unter meiner Magnolie standen einst die Anfänge meiner Lenzrosen und Schneeglöckchen-Sammlung. Schneeglöckchen wollen alle paar Jahre verpflanzt werden, also mussten sie raus und kamen in die Schaubeete der Gärtnerei. Inzwischen machte sich leider auch der Giersch unter der Magnolie breit. So pflanzte ich Clematis x jouniana ‘Praecox‘ darunter, die sich mit ihren langen Ranken langsam, aber sicher ausbreitete. Falls du eine so ähnliche Fläche im Garten besitzest, probiere mal einen dieser Ranker aus. Zur Blütezeit schmückt sie sich mit hellblauen Blütenrispen.

Jeder hat so seine Lieblingspflanzen. Zu meinen zählt an vorderster Front jene Clematis, die dunkelschwarzrot austreibt und auf diese Weise den Bann der Betrachter auf sich lenkt. Später dann hüllt sich diese Clematis recta ‘Purpurea‘ in weiße Wolken schleierkrautähnlicher Blüten, die kaum wer mit einer Waldrebe in Verbindung bringt. Aber nicht nur das! Eine weitere Krönung kommt ihrem Fruchtschmuck zuteil, welcher im Herbst den Auftritt hat.

Als ich dann vor drei Jahren in Kirgisistan botanisierte, durfte ich die prachtvollen Clematis songarica an ihrem Naturstandort kennenlernen und erleben, wie anspruchslos und problemlos sie entlang des Sees Issyk Köl wuchs, teilweise in blankem Schotter, zusammen mit Blaurauten (Perovskya), Drachenköpfen (Dracocephalum), Meerträubel (Ephedra glauca) und vielen anderen Stauden und Gehölzen. Unsere Verkehrsinseln und Kiesgärten warten doch nur darauf, dass diese herrliche Waldrebe solcherart Verwendung erfährt. Bis man üppige Pflanzen für den Verkauf erzielt, dauert es gewöhnlich zwei Saisonen. Aber sie ist sehr ausdauernd, auch bei uns, denn ich hatte sie in ein Kiesbeet zwischen Yucca und winterharten Kakteen gepflanzt.

Leider hat durch Covid 19 meine Reisetätigkeit einen Stopp erfahren, was sich hoffentlich bald wieder ändert. Im Herbst werde ich zumindest meine Tochter in Finnland besuchen, wo sie in Rovaniemi an der nördlichsten Uni Europas ein Auslandssemester absolviert. Alle weiteren Reisen stehen in naher Zukunft an, aber ich hege auch wieder gravierende Pläne in der Gärtnerei. Davon aber ein anderes Mal später, dafür wesentlich zukunftsorientierter!

Genieße diese schönste Zeit im Jahr in vollen Zügen! Ich bin dankbar, dass ich die Pandemie so unbeschadet überstehen konnte, sowohl meine Lieben und ich in gesundheitlicher Hinsicht, vor allem aber auch meine Gärtnerei! Als erstes Zeichen eines normalen Lebens außerhalb werden die Gartentage in Kohfidisch sein, welche die Genehmigung bekamen, tatsächlich stattfinden zu dürfen! Ich würde mich daher riesig freuen, dich am 5. oder 6. Juni im Burgenland anzutreffen. Ich bin von dieser Gegend und ihren Bewohnern restlos begeistert, und nicht nur du, auch vom Wein dort!

Dir alles Gute!

Dein Staudengärtner Sarastro

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